Heft 
(2018) 105
Seite
97
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The Making of Effi Briest Anderson 97 »Die Kirche zu Wilkendorf hatte sinnigen Festschmuck angelegt und glich einem duftigen Blumengarten. Auf dem Altar bemerkte man eine pracht­volle Altardecke, welche die Herrschaft der Wilkendorfer Kirche geschenkt und die am Hochzeitsfeste unseres Herrn Landrathes zum ersten Male ein­geweiht wurde. Dem Vernehmen nach sollen die Stickereien von Frau von Pfuel und deren Fräulein Töchtern ausgeführt sein. Die Decke ist überaus geschmackvoll und gereicht der Kirche zur Zierde. Der Taufstein war kunstvoll in einen Blumentisch umgewandelt.«[Hervorhebung des Verf.] Gleich auf der zweiten Seite von Effi Briest moduliert Fontane diese In­formation im direkten Anschluss an einen Hinweis auf die weinumrankten Fenster, die den»Else, komm«-Ruf des Ardenne-Stoffes umrahmen: »[... ] an Tagen aber, wo die Sonne niederbrannte, wurde die Gartenseite ganz entschieden bevorzugt, besonders von Frau und Tochter des Hauses, die denn auch heute wieder auf dem im vollen Schatten liegenden Fliesen­gang saßen, in ihrem Rücken ein paar offene, von wildem Wein umrankte Fenster, neben sich eine vorspringende kleine Treppe, deren vier Steinstu­fen vom Garten aus in das Hochparterre des Seitenflügels hinaufführten. Beide, Mutter und Tochter, waren fleißig bei der Arbeit, die der Herstellung eines aus Einzelquadraten zusammenzusetzenden Altarteppichs galt; unge­zählte Wollsträhnen und Seidendocken lagen auf einem großen, runden Tisch bunt durcheinander, dazwischen, noch vom Lunch her, ein paar Des­sertteller und eine mit großen, schönen Stachelbeeren gefüllte Majolika­schale. Rasch und sicher ging die Wollnadel der Damen hin und her, aber während die Mutter kein Auge von der Arbeit ließ, legte die Tochter, die den Rufnamen Effi führte, von Zeit zu Zeit die Nadel nieder und erhob sich, um unter allerlei kunstgerechten Beugungen und Streckungen den ganzen Kursus der Heil- und Zimmergymnastik durchzumachen.«[Hervorhebung des Verf.] Die Stichwörter der Ardenne- und Bethmann-Stoffe, die auf der ersten Entwurfseite getrennt stehen, werden im ersten Romankapitel wie Puzzle­teile so zusammengefügt, dass das Erzählbild ihre Verflechtung bei der Romanentstehung symbolisiert. Die traditionelle Metaphorik verlangte, ›Decke‹ durch ›Teppich‹ zu ersetzen: Decken verstecken, was bei Fontane natürlich eine Rolle spielt, aber an dieser Stelle geht es gewiss um die ural­te Teppichmetapher für die Dichtkunst. 47 Das bereits zitierte Tagebuch der Agnes von Pfuel, die, weil sie kurz vor der Niederkunft stand, bei der Trauung nicht dabei war, beschreibt die Kleidung und das Verhalten ihrer eigenen Töchter während und gleich nach der Trauung: »Der 16. und 17. Juni 48 waren die von den Kindern so ersehnten Hoch­zeitstage. Am Polterabend eröffneten die Kinder die Vorstellung in Creme­Spitzenkleidern mit gleichen Scherpen. Freda in der Mitte mit dem Braut­kranz. Tini, die von Papa verfaßten hübschen Verse aufsagend, Agnes als