Heft 
(2018) 105
Seite
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The Making of Effi Briest Anderson 99 neunundzwanzigjährigen Sohn zu übergeben. Über ihre Amtsführung ist relativ wenig veröffentlicht worden. 54 Über Theobald von Bethmann Hollwegs Jugend und Seelenleben gibt es wenige Belege, teils wegen der Plünderung von Hohenfinow 1945, teils weil er sein Privatleben aus der Öffentlichkeit ferngehalten hat, teils weil er seine wenigen Lebensjahre nach der Entlassung aus dem Kanzleramt dazu verwendet hat, seine Rolle vor und während des verlorenen Ersten Welt­kriegs zu rechtfertigen. In der Naumburger Schulpforta machte er seine wenigen dauerhaften Freundschaften und war Klassenbester. Danach schenkte ihm sein Vater eine ausgedehnte Italienreise. Zeitgenossen be­schreiben ihn als fleißig, zielstrebig, sogar gerissen, aber meistens als pe­dantisch und weitschweifig. Mit 25 habe er einem Freund geklagt, noch nie leidenschaftlich geliebt zu haben. 55 Mit 33 fand er von heute auf morgen in Martha von Pfuel die Frau fürs Leben. Dagegen hat der junge Armand von Ardenne lange und redlich um Else von Plotho geworben. Durch Heirat wollten beide das ›Manko‹ der fremden Herkunft Ar­denne als Sohn eines erfolgreichen belgischen Einwanderers, und ›Inn­stetten‹»So heißt doch hier kein Mensch.«(Hulda) ausgleichen. Alle Biographen erklären Bethmann Hollwegs Brautwahl mit der Absicht, bei den nächsten Reichstagswahlen(20. Februar 1890) zu kandidieren. Im 9. Kapitel verraten ›Waldemar‹ schon im Urtext und ›Innstetten‹ noch im Ro­man ein glaubhaftes Motiv für seine Brautwahl:»Also nochmals, Effi, wie wird es werden in Kessin? Wirst du dich einleben? Wirst du populär wer­den und mir die Majorität sichern, wenn ich in den Reichstag will?« 56 Die konservativen Parteien wählten ihre Kandidaten damals unter den Hono­ratioren, am liebsten unter den Mitgliedern der alteingesessenen Familien. Die Bethmann Hollwegs waren aber erst seit vierunddreißig Jahren im Kreis ansässig und gehörten somit noch nicht dazu. 4. Der dritte Stoff: August Ludwig Hülsens»Geschichte mit Entsagung« 57 Effis erstes Gespräch erweckt den Eindruck, als sei Innstetten die Haupt­figur: »[Mama] erwartet nämlich Besuch, einen alten Freund aus ihren Mädchen­tagen her, von dem ich Euch nachher erzählen muß, eine Liebesgeschichte mit Held und Heldin, und zuletzt mit Entsagung. Ihr werdet Augen machen und Euch wundern. Übrigens habe ich Mamas alten Freund schon drüben in Schwantikow gesehen; er ist Landrat, gute Figur und sehr männlich.«[...] »Nun aber Effi, nun ist es Zeit, nun die Liebesgeschichte mit Entsagung. Oder ist es nicht so schlimm?«