110 Fontane Blätter 105 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte ›Hugo‹ durch ›Ralf‹ ersetzt. Es ist offenbar der Anfang, weil er nachher immer ›Ralph‹ mit ›ph‹ schreibt. Auf 27/7 sind»zwei Briefe von Rittmeister v.... an Effi« exzerpiert. Auf 27/8 tritt Wüllersdorf herein: ab hier haben wir es mit der vierten, der Geert-Phase zu tun. 7. Bayreuth, Minna, das»Intimitätenkapitel« und eine Briest-Skizze Ähnlich den Stichwörtern der drei Stoffe in den Entwürfen, aber nicht als neue Stoffe, sondern als Themen tauchen Fontanes Erfahrungen vom Sommer 1889 am Anfang der Waldemar-Phase auf. Die zwei nachhaltigsten Erfahrungen sind Fontanes Besuch der Bayreuther Festspiele(27.–29. Juli) und das Erinnertwerden an Swinemünde durch seine Schwester Jenny Sommerfeldt und die Begegnung mit seiner ersten Liebe, Minna von Klöden, geb. Krause(27.–28. August). Über Bayreuth gibt es mehrere Briefe, über die Begegnung nur einen. 93 Die Bayreuther Erinnerung brauchte ein wenig Gärungszeit, bis er sie für den Roman verarbeiten konnte, aber die Kindheit und das» On revient toujours à ses première amours« spiegeln sich in den zwei Entwurfseiten mit der Überschrift»Dies muß ein Intimitätenkapitel sein«. Ehepaar von Pervenitz wohnt nunmehr an der Ostsee. Betty, die schon vor der Ehe mittels derselben Heine-Gedichte wie im Roman verführt wurde, nimmt die Affäre mit dem alten Freund in den Dünen aggressiv wieder auf. Sie heißt noch Betty, aber die konkreten Details hat Fontanes Psychograph für den Roman diktiert. Er muss nur noch ›Betty‹ korrigieren. In den Briefen aus und über Bayreuth heißt es unter anderem, Bayreuth sei ein»malerisches Drecknest«. Aber:»die Beobachtung dieses Welttreibens – es war ein Hochgenuß die Fremdenliste zu lesen – hat mich aufs Höchste interessirt; aus New-York oder Boston war gar nichts; Siam, Shanhai[!], Bombay, Colorado, Nebraska, Minnesota, das waren die Namen, die wirkten.« 94 Erst auf 6/8 der Arbeitshandschrift(im Roman: ab»sogenannte Kaschuben« bis»sogar einen Chinesen«) vermengen sich die Bayreuther Erfahrung und die Kindheitserinnerung in Waldemars Beschreibung von Kessin, während er und Effi beim Sonnenuntergang auf die Stadt schauen. »Trotzdem es ein Nest ist«, wirkt Kessin aus der Distanz seiner Beschreibung wie eine Weltstadt im Kleinformat, und Effis Neugierde gipfelt in den Worten,»vielleicht sogar einen Chinesen.« Auf 6/12 erwartet sie»einen fliegenden Holländer«, und fast als würde Fontane sich selbst zitieren, heißt es auf 7/13:»an solchem Tage[siehst Du] ganz Europa von unsern Dächern flaggen und das Sternenbanner und den chinesischen Drachen dazu.« 95 Vom 16. bis 28. September registriert die Fontane-Chronik keine starken Ansprüche an ihn und keine besondere Produktion. 96 Am 24. heißt es, er stecke»momentan bis über die Ohren in Arbeit.« 97 Alle Effi Briest-
Heft  
(2018) 105
Seite
110
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