Wagner: Effi Briest und ihr Wunsch nach einem japanischen Bettschirm Parr 127 zu verdeutlichen: Im Abschnitt über die»Clavierseuche«(S. 118–120) hätte man einen Hinweis auf Friedrich Kittlers Habilitationsschrift( Aufschreibesysteme. 1800. 1900., München 1985) ebenso erwartet wie in den Kapiteln zu denjenigen Zeitschriften, in denen auch Fontanes Romane in Fortsetzungen vorabgedruckt wurden(»Niveauverlust durch das ›Erzählen auf Raten‹«, S. 107–110;»›Die Gartenlaube‹ und die ›Moderne‹«, S. 141–144), auf die Habilitationsschrift von Christof Hamann( Zwischen Normativität und Normalität. Zur diskursiven Position der ›Mitte‹ in populären Zeitschriften nach 1848, Heidelberg 2014). Einräumen muss man jedoch, dass Wagner durch die Fokussierung auf Quellen der Zeit eine gewisse Souveränität gewinnt, sich den Blick nicht durch schon Vorhandenes verstellt, sondern offen für Neu-Entdeckungen bleibt. Dementsprechend fungiert der Romantext von Effi Briest bei Wagner in doppeltem Sinne als»medialer Echoraum«(S. 12): in der Blickrichtung vom Roman in die Gesellschaft und Kultur der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als»Stichwortlieferant zur Rekonstruktion« dessen, was Wagner»Zeitbild« nennt(S. 16), also jenseits des Romans angesiedelten Kontext darstellt, in der umgekehrten Blickrichtung von Gesellschaft und Kultur zum Roman als zeittypische Kombination von Medien- und Kommunikationswissen. Wenn Wagner in dieser doppelten Blickrichtung von»Zeitbild« spricht, dann sieht er dies durch Fontanes Besprechung von Gustav Freytags Die Ahnen von 1875 gedeckt, in der es heißt, dass der»moderne Roman[…] ein Zeitbild« sein solle,»ein Bild seiner Zeit«. II. Wie sieht nun Wagners Rekonstruktion dieses Zeitbildes aus? In recht kleinteiliger Gliederung mit Abschnitten von bisweilen nicht einmal einer ganzen Druckseite geht er einer Vielfalt von Beobachtungen(plus zugehörigen Kontextualisierungen) nach, die sowohl den Kommunikations- als auch den(unausgesprochen bleibenden) Medienbegriff maximal expandieren. Das Spektrum reicht von»Konventionen und anderen Kommunikationsbarrieren«(S. 21–39), unter denen gleichermaßen das Fehlen von Medien wie Telefon und Fernsehen abgehandelt wird, wie auch Klassenunterschiede und das Duellwesen, wechselt zum»guten Ton« im Schriftverkehr, insbesondere bei Briefen, von da zum Baedeker als einem Fall der»Aufmerksamkeitssteuerung durch Medien«(S. 55–68), geht über zur sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vervielfältigenden Bildproduktion durch Drucktechniken, Optik und Fotografie(S. 69–93) und vergisst schließlich auch die Panoramen als eine Form der»Arbeit an nationalen Mythen im Medienverbund« nicht(S. 93–100). Sind dies»aus Effi Briest aufgegriffene Stichworte«, so folgen zwei weitere Kapitel, die eher allgemeinkulturelle Phänomene in den Blick nehmen. Dazu gehören im Abschnitt zu den»Spuren der zweiten Leserevolution«
Heft
(2018) 105
Seite
127
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