128 Fontane Blätter 105 Rezensionen und Annotationen gleichermaßen knappe Blicke auf das Leihbibliothekswesen, das Erzählen in Fortsetzungen und die Buchpreisbindung. Eine ähnliche Erweiterung bringt auch das nachfolgende, auf Pierre Bourdieus bahnbrechende Studie anspielende Kapitel»Die feinen Unterschiede« mit einem lesenswerten Kapitel zur Korrespondenz von Charakteren und ihren Wohnungen sowie – neben anderen – weniger ausgearbeitete zum ›Naturkind Effi‹ und zum Kantor Janke und seiner»nicht unproblematischen Liebe zu Skandinavien« (S. 113–138). Der Fokus Medien- und Kommunikationskultur franst hier, gegen Ende des Bandes, ebenso aus wie auch im Schlusskapitel(»Schlussbemerkungen«, S. 139–150), das mit einer kurzen Zusammenfassung anfängt, dann aber doch noch einmal neue Themen aufgreift:»›Die Gartenlaube‹ und die ›Moderne‹«,»Das Ende des 19. Jahrhunderts trägt die Signatur der ›Nervosität‹?«,»Wird es ›Darwin‹ heute auch noch richten?«. III. Werden manche der Medienbezüge und Kommunikationskonventionen auch nur recht kurz angesprochen, so bietet der Band – vor allem auch durch das leider nur sehr klein reproduzierte Bildmaterial – insgesamt doch vielfältige Anregungen zum Weiterdenken, zur genaueren Recherche und Analyse auch über den einen Roman Effi Briest hinaus. Gelungen ist der Band überall da, wo er zeigt, wie die zeitgenössische Medien- und Kommunikationskultur wechselseitig ineinander eingebettet sind. Eine ganze Reihe der dabei gemachten Beobachtungen könnte Eingang in künftige Kommentierungen historisch-kritischer Ausgaben finden. Gegenüber diesen Stärken liegt eine Schwäche in den hier und da unternommenen Aktualisierungen der Form ›Was wäre, wenn Effi einen Fernseher oder ein Telefon gehabt hätte, ja vielleicht mit Crampas sogar geskypt hätte‹; dies insbesondere dann, wenn ein Bild aus dem Spiegel von 1994 genutzt wird, welches ein mit dem Handy telefonierendes junges Mädchen zeigt(S. 37). Solche Aktualisierungen kann man in rein rhetorischer Absicht unternehmen, hier scheinen sie aber ein wenig zu ernsthaft gemeint zu sein. Rolf Parr
Heft
(2018) 105
Seite
128
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