138 Fontane Blätter 105 In memoriam Helmuth Nürnberger »Sehnsucht nach Prag« – Für Helmuth Nürnberger Hanna Delf von Wolzogen Den Linktipp, den er mir diskret schickte, begleitete Helmuth Nürnberger mit den Worten:»Erschien schon am 18.11.2012, ich hatte den Verlag gebeten, dem Archiv ein Exemplar zu schicken, ist aber anscheinend nicht geschehen....«. Gemeint war der Band Sehnsucht nach Prag, den er aus Joseph Roths Feuilletons, Glossen und Reportagen für das Prager Tagblatt zusammengestellt hatte. Joseph Roth gehörte zu den anderen Helden, denen Helmuth Nürnberger neben Fontane seine Aufmerksamkeit schenkte. Joseph Roth war immer wieder Gegenstand unserer Gespräche, so auch hier. Und es sollte noch mehr kommen, wie er mir schrieb,»ein später Roman Roths oder besser ein Märchen, spielt größtenteils in Wien und in Persien, ein bissel auch in der Bácska«. Von Roths Roman Geschichte der 1002. Nacht ist die Rede. Nach Osten, in die versunkenen Kulturlandschaften Kakaniens, hatte sich die Aufmerksamkeit Helmuth Nürnbergers gerichtet, in eine Gegend, die für ihn weit mehr war als für»Neville Chamberlain im Unterhaus(›ein recht fernes Land, von dem wir wenig wissen‹).« Es schien, als sei er ein Stück weit abgerückt von»unserem wackeren Preußen«, wie er Fontane gelegentlich nannte, und habe sich schrittweise in eine geistige Landschaft begeben, aus der er, der»alte Böhme oder angebliche Bohemien«, wie er sich selbst gelegentlich nannte, fast noch als Knabe gekommen war. Liest man, wie ich es getan habe, die Briefe und Mails aus einer mehr als zwanzig Jahre währenden gemeinsamen Geschichte um Fontane und sein Archiv, will es mir scheinen, als sei das Motto jenes Bandes –»Sehnsucht nach Prag« − weit mehr als ein Titel, als erweise es sich als Chiffre für etwas, das für Helmuth Nürnberger charakteristisch war und das vielleicht in den letzten Jahren stärker zum Ausdruck kam als zuvor. Seine Briefe sind stilistische Meisterwerke, das weiß jeder, der je einen Brief von Helmuth Nürnberger erhielt, wer wäre nicht entzückt gewesen, Briefe zu erhalten, wie er sie schrieb? Briefe, die auch in der Mailbox ihren Zauber nicht ein-
Heft
(2018) 105
Seite
138
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