Briefe Nürnberger 147 flüssigen privaten Problemen) ist es auch Ihnen als neues Vorstandsmitglied ergangen. Umso mehr weiß ich es zu schätzen, dass Sie hilfsbereit in die Bresche gesprungen sind. Festreden, wer weiß das nicht, sind eine problematische Gattung, sowohl als Empfänger wie als Zuhörer muss man in Gedanken vieles wegsortieren oder zurechtstutzend verkleinern, aber die Tatsache, dass ich mich wirklich über das Gesagte gefreut habe, besonders auch über den»Ton«, den Sie gefunden haben, zeigt an, dass Ihnen der unverhoffte Sprung sicher gelungen ist. Am meisten freut mich, dass von den entstandenen Verkrampfungen nichts spürbar ist, dass wir uns mithin so verhalten, wie es die Mitglieder der Gesellschaft mit Recht von uns erwarten dürfen, nämlich frei von Streitigkeiten, wie man sie aus Vereinen zu kennen glaubt und undurchschaubaren Ressentiments.»Die Literatur ist die Aufrichtigkeit selbst«(Joseph Roth –»La littérature c`est la sincérité meme, la seule expression vraie de la vie.«) – etwas von diesem Geist sollte eine Literaturgesellschaft ausstrahlen, sonst bleiben unsere besten Leser lieber zu Hause. »Zwei Seelen wohnen ach´ in meiner Brust« und»Historische Mythologie der Deutschen« hatte ich kürzlich wieder in der Hand und las mich fest, wieder sehr beeindruckt. Mir fiel auch die Widmung ins Auge, ich konnte mich aber nicht mehr erinnern, wie sie zustande gekommen war. Ja, sie war etwas schwer zu lesen. Ganz merkwürdig ist nun aber, dass ich heute das Buch wieder aufschlug – und keine Widmung fand. Eine mögliche Erklärung für dieses nagelneue, aber»ungewidmete« Exemplar wäre, dass es sich um ein Zweitexemplar handelt, wie ich sie öfters hatte, ein Exemplar im Bayerischen Wald und eines in Hamburg oder Flensburg. (Die Bücher aus dem Böhmen nahen Ferienhaus habe ich, als wir das Haus aufgaben, in einem bayerischen Kloster eingestellt, wo sie nun dahindämmern, denn ich komme nicht mehr hin.) Aber wie konnte ich dann neulich die Widmung»sehen«? Lieber Herr[…], in der Hoffnung auf künftige, noch nähere Kontakte herzlich Ihr Helmuth Nürnberger 23.12.2010 Lieber[…], entgegen aller Wahrscheinlichkeit – Du weißt ja, ein wie unzuverlässiger Briefschreiber ich bin, besonders dann, wenn ich erst einmal den Anschluss verloren habe, dann sitze ich still in der Ecke und schäme mich-, bekommst Du nun doch noch einen Weihnachtsgruß von mir. Es hängt natürlich(natürlich?!) mit dem unvergleichlichen Theodor zusammen, dem ich, wie Du als Beiratsmitglied weißt und begutachtet hast, für das nächste Heft wieder einen Artikel gewidmet habe. Und dieser Artikel, das hast Du in Deiner
Heft
(2018) 105
Seite
147
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