Heft 
(2018) 105
Seite
149
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Vom Glück der Ideologieresistenz  Schaefer 149 Vom Glück der Ideologieresistenz. Beobachtungen eines Bibliothekars* Peter Schaefer »Was soll der Unsinn?« Schriftsteller von Rang schreiben Bücher, die nach ihrem Tode gelegentlich neu herausgegeben, neu aufgelegt werden. Das ist bekannt. Sollte vor einer neuen Ausgabe ein Generations-, gar ein Zeiten­wechsel stattgefunden haben, so ändert sich mehr als nur die Farbe des Buchdeckels. Neue Leser sollen gewonnen werden, sollen hingeführt wer­den zum Werk eines Dichters, der zwar einer vergangenen, der alten Zeit angehört, aber doch aus dieser hinausragt und mitgenommen werden soll in die neue Zeit. Dieses Mitherübernehmen soll dann jeweils ein Vor- oder Nachwort leisten. So ein Zeiten-, ja Systemwechsel bringt für gewöhnlich ein neues gesellschaftliches Koordinatensystem samt einer neuen Sprache hervor. Wenn es nicht gar zu paradox klänge, könnte man sagen, ein mit einem Systemwechsel verbundenes neues Vorwort ist eine Art Übertra­gung in die neue Zeit, eine neue Übersetzung? Das klingt vielleicht etwas gewagt, also was soll der Unsinn? Ich wür­de Sie heute damit nicht behelligen, wenn ich nicht auf etwas gestoßen wäre, das mir in komprimierter Form etwas erzählt über den Lauf und Wechsel der Zeiten, über die Macht oder Ohnmacht von Literatur, über deutsche Geschichte, auch Buchgeschichte, ja und auch über Ideologie­resistenz. Zu berichten ist von einem historisch kurzen Moment, es geht um etwa 20 Jahre. Das Fontane-Archiv besitzt drei nahezu identisch aussehende Ausgaben von Ausgewählten Werken von Theodor Fontane. Keine der drei verrät auf dem Titelblatt das Erscheinungsjahr, doch können Fakten ermittelt werden. Die erste stammt wohl aus dem Jahr 1929, erschienen bei Reclam, zur Datierung kommen wir gleich. Sie enthält im Band 1 Gedichte und Grete Minde; in Bd. 2 Ellernklipp; Schach von Wuthenow; L´Adultera; in Bd. 3 Quitt * Anläßlich des Symposiums zum Thema ›Glück‹ zu Ehren von Helmuth Nürnberger im Sommer 2015 auf Wunsch des Jubilars gehaltene Rede.