Heft 
(2018) 105
Seite
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150 Fontane Blätter 105 In memoriam Helmuth Nürnberger und Cécile; Bd. 4: Stine; Irrungen, Wirrungen; Frau Jenny Treibel; Bd. 5: Die Poggenpuhls; Effi Briest; Bd. 6: Der Stechlin. Ein kleiner Sprung: Jurek Becker, ein Autor Ost- und Westdeutschlands, der vielleicht doch noch nicht ganz vergessen ist, schrieb von seinen vielen Reisen an seine engsten Freunde Postkarten, die den Daheimgebliebenen die Welt, in diesem Falle den Kapitalismus erklären sollten. Im Unterschied zum Sozialismus, so schrieb er in die DDR, dürfe im Kapitalismus alles gedruckt werden, mit einer einzigen Ausnahme: Geld. Ein Verleger im Ka­pitalismus drucke also das, was für ihn dem Geld am nächsten komme: Bü­cher, von denen der Verleger hoffe, dass sie sich in Geld umwandeln lassen. Zurück zu Fontane. Der Grund für das Erscheinen der Ausgabe ist, so muss vermutet werden, ein profaner. 1928 war die Schutzfrist für Fontanes Werke abgelaufen, nun konnte ein Verlag mit Fontane Geld verdienen, ohne den Nachkommen Tantiemen zahlen zu müssen. Die sechs Bände sind liebe­voll gestaltet und tragen die Zeichen ihrer Zeit: rotes Leinen, Goldprägung auf Deckel und Rücken, ein gelblicher Kopfschnitt, der wohl an den in bes­seren Zeiten verwendeten Goldschnitt erinnern soll. Das dunkelgrün ge­prägte Rückenschild versucht, zusammen mit den waagerechten Mustern, die an erhabene Buchbünde erinnern, der Ausgabe ein klassisches Gepräge zu geben. Mit wilhelminischer Prachtentfaltung hat diese Ausgabe nichts mehr zu tun. Die Gestaltung zitiert klassische Ledereinbände und stellt sich damit in die Tradition europäischer Buchkunst, aber besonders altpreu­ßisch im Sinne von»mehr sein als scheinen« ist sie nicht. Die typographi­sche Gestaltung ist inzwischen 1929 eher unmodern: es wurde eine Frakturschrift verwendet, während sich eine Vielzahl von Publikationen jener Zeit längst von der Fraktur verabschiedet hatte. Diese erste Ausgabe der Ausgewählten Werke hat eine Einleitung be­kommen, deren letzter Satz lautet:»Möge der Erscheinungstag dieser Aus­gabe den Beginn seiner praktischen Volkstümlichkeit bedeuten!« Mit Aus­rufezeichen. Geschrieben in München, im September 1928. Der Verfasser, der hier so nachdrücklich für Fontane wirbt, sollte gut ein Jahr später den Nobelpreis für Literatur erhalten, es ist Thomas Mann. Die Einleitung um­faßt die Seiten 5–14, und ich gestehe, es geht eine enorme Versuchung von diesen knapp 10 Seiten aus, sie Ihnen hier vorzutragen. Keine Angst. Nur den ersten Satz:»Er mußte alt werden, um ganz er selbst zu werden.« Noch eine kleine Zugabe:»Es sieht aus, als habe er es eilig gehabt, alt zu werden, um recht lange alt zu sein.« Thomas Mann spricht vom»unsterblichen Fon­tane« und stellt ihn als einen produktiven, nervösen, das Älterwerden re­flektierenden Künstler, als Artisten vor. Er vergleicht ihn en passant mit Richard Wagner, betont den Briefschreiber Fontane, der als knapp Sech­zigjähriger zitiert wird:»Das Leben liegt hinter einem, und die meisten Achtundfünfziger sind noch ganz anders ramponiert.« Nein, kein Zahlen­dreher: Achtundfünfziger, nicht Fünfundachtziger. Namen, die genannt