Heft 
(2018) 106
Seite
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Hasenfußdiplomatie? Möller 17 haben die Schauspieler doppelt zu leiden.[] Man muß hervorragende Schauspieler gar nicht in die Lage bringen, Dinge spielen zu sollen, zu denen sie nicht passen. Soll dabei etwa von»Geldrücksichten« gespro­chen werden, so berührt uns dies geradezu komisch. Diese dürfen in der neuen Kaiserstadt, einem solchen Institut gegenüber, gar nicht existie­ren. Es muß sich finden. 6 Diese Sätze waren am 14. November 1871 in der Vossischen Zeitung zu le­sen. Fontane hatte damit offenbar einen wunden Punkt getroffen, denn der Generalintendant der Königlichen Schauspiele, Botho von Hülsen, ver­wahrte sich in seinem persönlichen Schreiben vom 18. November 1871 ge­gen diesen Vorwurf. Er erklärte, dass die unübersehbaren Lücken im En­semble eine Folge der 1869 eingeführten Theaterfreiheit seien, die zur Vergabe zahlreicher neuer Konzessionen geführt hatte, 7 wodurch eine bis dahin unbekannte Konkurrenz um die gesuchten Kräfte und ein spürbarer Mangel an guten Darstellerinnen und Darstellern verursacht worden war. Eingebettet ist die sachlich vorgetragene Replik des Theaterintendanten in die Unterstellung mangelnder Kompetenz und die unverhohlene Aufforde­rung an den Kritiker, sein Urteil zukünftig mit größerer Vorsicht zu formu­lieren. Nicht zufällig berief sich Botho von Hülsen auf seine Erfahrung von zwanzig Dienstjahren, angesichts derer der Kritiker, der sein Rezensenten­Amt am 15. August 1870 angetreten hatte, wie ein unerfahrener Adept er­scheinen musste. Auch wenn Hülsen seinen Disziplinierungsversuch nicht öffentlich machte, sondern in privatem Rahmen beließ, sah sich Fontane durch dieses Schreiben in Verlegenheit gesetzt. Der Verfasser war eine übermächtige Gestalt im literarischen Leben Berlins und Preußens in der zweiten Jahr­hunderthälfte, eine Instanz, mit der er es sich nicht verscherzen durfte. Botho von Hülsen, 1815 in Berlin geboren, Sohn eines Generals, selbst Mi­litär, Leutnant im Regiment Alexander und Regimentsadjutant, hatte durch Laientheater-Aufführungen im Regiments-Casino die Aufmerksamkeit des Hofes auf sich gezogen. Friedrich Wilhelm IV. besuchte am 31. Januar 1846 mit seinem gesamten Hofstaat die Aufführung einer Parodie von Wallen­steins Tod, die Hülsen verfasst und mit Regimentskameraden einstudiert hatte. Bernhard von Lepel gab den Wallenstein, Hülsen selbst, weil keiner der Regimentskameraden eine Frauenrolle übernehmen wollte, die Thekla. Stolz berichtete Hülsen in einem ausführlichen Brief an seinen Onkel und seine Tante von dem glänzenden Erfolg dieses Abends. 8 Der König kam während der Aufführung aus dem Lachen nicht heraus. Auch der Prinz von Preußen fand lobende Worte für den begabten Schauspieler und Dichter. Als 1851 die Stelle des Gene­ralintendanten des Königlichen Schauspielhau­ses vakant wurde, berief riedrich Wilhelm IV. Hülsen auf diese Stelle. Un­anfechtbar blieb dieser in dem Amt bis zu seinem Tod im Jahr 1886, hoch dekoriert, mit Ehrungen und Ämtern überhäuft, der Protektion des