Hasenfußdiplomatie? Möller 19 dem Weg zu gehen. Den beleidigenden Vorwurf der Inkompetenz registrierte er, ohne darauf einzugehen. Auch das eine kluge Volte. Tatsächlich hatte Fontane bereits früher die Verwaltungstätigkeit Hülsens lobend erwähnt. In seinem biographischen Beitrag für Lorcks Sammelwerk Männer unserer Zeit formulierte er ein abgewogenes Urteil über Hülsen und fand mit seiner positiven Darstellung – etwas anderes war in so einem Lexikonartikel gar nicht denkbar – immerhin einen Weg, auf geschickte Weise auch einige öffentliche Kritik-Punkte anzusprechen: »Ob die Berliner Bühne unter seiner nunmehr neunjährigen Leitung an künstlerischem Gehalte eingebüßt und den Vergleich mit früheren Verwaltungen zu scheuen hat, darüber wird sich erst ein gerechtfertigtes Urtheil abgeben lassen, wenn auch seine Verwaltung der Vergangenheit angehören wird.[…] Auch der künstlerische Gehalt der Hülsen’schen Verwaltung wird schließlich nicht wesentlich leichter befunden werden, als die Verwaltung seiner Vorgänger. Gewisse Vorzüge aber liegen schon jetzt klar zu Tage. Sie hängen zum Theil genau mit dem zusammen, was man in früheren Jahren nicht müde geworden ist ihm vorzuwerfen – mit seiner militärischen Schulung. Er hat dem Schlendrian, dem apathisch-bequemen ›Es war immer so‹ ein Ende gemacht, und hat einen Geist der Ordnung, der Disciplin, der Gerechtigkeit, eine straffere Haltung, die dringend noth that, an die Stelle gesetzt. Außerdem hat er den Beweis geführt, daß auch eine königliche Hofbühne ohne Zuschüsse und Geldopfer bestehen, vielmehr wie jedes andere gut und verständig geleitete Theater sich selber halten kann.« 10 Als Grundprinzipien der Amts-Verwaltung Hülsens hebt Fontane hervor: ein»möglichst gutes Ensemble[…], Feindschaft dem bloßen Virtuosenthum,[…] Pflege des classischen Repertoire’s, Förderung der deutschen dramatischen Dichtkunst, Verbannung des falschen Pathos, Kräftigung der Regie und ihres Ansehens und möglichste Wahrheit und Natürlichkeit in der Darstellung sowohl wie in der Scenirung.« 11 Fontane berief sich also in seiner Ergebenheitsadresse auf sein positives Urteil, das er bereits früher formuliert hatte. Nach 1871 finden sich in Fontanes Rezensionen keine kritischen Äußerungen mehr über den Generalintendanten und seine Amtswaltung, obwohl Fontane keinen Hehl daraus machte, dass Tätigkeit und Person Hülsens durchaus in einigen Punkten angreifbar waren. Fontane gratulierte artig zu den Jubiläen, Hülsen dankte höflich dafür. Freitickets wurden bereitgelegt. Man bezeugte sich gegenseitig Respekt. Als Paul Schlenther 1883 anlässlich des fünfzigjährigen Dienstjubiläums Hülsens(der Militärdienst wurde einfach zu den Jahren der Theaterdirektion hinzugezählt) seine kritische Broschüre Botho von
Heft
(2018) 106
Seite
19
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