Heft 
(2018) 106
Seite
21
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Hasenfußdiplomatie? Möller 21 Geld und Koterie, öffentliche Meinung und Politik sind Mächte, mit denen sich Rezensenten mitunter anlegen müssen. Schließlich stehen sie noch mit den Kollegen der anderen, gleichfalls referierenden Periodika im Wettstreit. Kehrseite der oft extremen Interessenkonflikte, in die die Theater-­Rezensenten durch ihre Tätigkeit zwangsläufig geraten, sind die Versuche, auf ihre Haltung Einfluss zu nehmen. Auch Fontane war in seiner Tätigkeit als Theater-Rezensent vielfältigen Anfechtungen ausgesetzt. Auch er er­hielt anonyme Briefe, teilweise von bedrohlichem Charakter, 18 auch er sah sich Bestechungsversuchen und Rachegelüsten ausgesetzt, auch seine Re­daktion wurde mit empörten Zuschriften bombardiert. So erhielt der Chefredakteur der Vossischen Zeitung Hermann Kletke am 15. Januar 1871 einen Beschwerdebrief von Karl Gutzkow, der sich»dem wüthendsten, alle Billigdenkenden im Berliner Publikum geradezu erschreckenden Anfall« des neuen Theaterreferenten Fontane preisgegeben sah. 19 Die meisten Do­kumente dieser Art sind nicht überliefert. Je größer die Autorität, die ein Kritiker angriff, desto höher war auch das Risiko, das er selbst dadurch einging. Aber auch die Reaktionen der kleinen Chargen konnten recht ein­drucksvoll ausfallen. Theatralische Auftritte gehörten schließlich zum Me­tier. Fontane selbst resümierte scherzhaft:»[] man bilde sich nur nicht ein, daß ein Theaterkritiker ein Richter ist, viel öfter ist er ein Angeklagter. ›Da sitzt das Scheusal wieder‹, habe ich sehr oft auf den Gesichtern gele­sen.« 20 Ja, es kamen sogar Handgreiflichkeiten vor. Im Januar 1910 soll die Schauspielerin Ida Roland empört mit dem Regenschirm über den Heraus­geber der Zeitschrift Die Schaubühne, Siegfried Jacobsohn, hergefallen sein und ihn in aller Öffentlichkeit geohrfeigt haben, was dieser aber durch seinen Anwalt dementieren ließ. Die Presse berichtete genüsslich über solche pikanten Zwischenfälle. Nicht nur aus den ›freundlichen‹ Blicken, die ihm von der Bühne aus zugesandt wurden, auch aus Zuschriften, mündlichen Reaktionen und heimlichen Racheakten wird Fontane erfahren haben, wie beliebt man sich durch öffentlich geäußerten Tadel macht. Theodor Döring, seinerzeit ein Star von Rang(120 x Nathan, 100 x Mephisto), hatte sich Fontane auch von seiner empfindlichen Seite offenbart:»Grenzenlos verwöhnt. Tyrann. Wer ihn tadelte, war sein Feind«. Diese Stichworte notierte Fontane für die ge­planten Kapitel im Entwurf seiner autobiographischen Erinnerungen ­ Kritische Jahre, Kritikerjahre. Obwohl er eigentlich ein bekennender Dö­ring-Schwärmer war und den Schauspieler(jedenfalls für seinen Ge­schmack)»über den weißen Klee« gelobt hatte, musste sich Fontane ein­gestehen:»›Er‹ hätte mich gern vergiftet«. 21 Da das nicht gut anging, wurde als probates Mittel versuchter Rufmord eingesetzt. In der Berliner Mon­tagszeitung erschien bereits 1871 ein Beitrag, in welchem Fontane die ­»Referentenbefähigung« schlicht abgesprochen und sein Verfasserkürzel