Heft 
(2018) 106
Seite
22
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22 Fontane Blätter 106 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes »Th. F.« zu»Theater Fremdling« verunglimpft wurde, ein Witz, über den Fontane(später) mitlachen konnte und den er elegant entkräftete. 22 Mit Personen und Zusammenhängen gut vertraut, kombinierte Fontane, dass er keinem anderen als Döring diesen ›Ehren-Titel‹ zu verdanken habe. Nicht selten eskalierten die Konflikte wie in jenem öffentlichen Kräfte­messen zwischen dem Wallner-Theater und der Vossischen Zeitung, das 1883 durch eine Rezension von Otto Brahm ausgelöst wurde. 23 Da war ­Fontane schon ein alter Hase und konnte dem jungen Kollegen guten Rat erteilen. Die gegen Kritiker und die Kritik gerichteten Manipulationsversu­che gehörten jedenfalls zum Alltagsgeschäft. Auch Fontanes Brief an Otto Brahm vom 14. Oktober 1883 kann als Beispiel angeführt werden, in dem es darum ging, dass Brahm den Schauspieler Friedrich Haase milder be­handeln sollte, als der verdiente. Schlenther resümierte 1883 über das Zu­trittsverbot des Wallner-Theaters gegen Otto Brahm: »Vom tragikomischen Schicksale Brahms fühlten sich einige andere Kritiker mitgetroffen. Dennoch scheiterte eine gemeinsame Boykottie­rungsaktion am Widerstand anderer, der sich zum Teil auch gegen Brahms Person richtete. Es gab Kunstrichter in Berlin, die erwarteten, daß ein Kollege auch ihre Stücke kollegial behandle; dafür war Brahm nicht zu haben.« 24 Auch Hülsens Brief an Fontane war ein unverhohlener Versuch der Ein­flussnahme auf einen Kritiker, der nicht publik wurde, weil er sich hinter den Kulissen abspielte, im privaten Bereich. Selbst die verhältnismäßig kleine Autographen-Sammlung, die nur einen kleinen Ausschnitt aus der Korrespondenz von Botho von Hülsen umfasst, enthält einige weitere ­Schreiben von Theaterkritikern, die sich gegen Hülsens Manipulationsver­suche verwahren. 25 Sie sind kurz und schroff abgefasst oder als formvoll­endeter diplomatischer Kratzfuß, wie ihn Fontane hingelegt hat. Ludwig Stein, Philosoph, Soziologe, Rabbiner und Publizist, schrieb im Vorwort zu seiner 1884 unter dem Pseudonym Ed. Vollmer erschienenen Essaysammlung über die Berliner Theaterkritiker: Unser Zeitalter ist ein eminent kritisches. Alle eingreifenden Erschei­nungen des Lebens: Religion, Staat, Gesellschaft, Wissenschaft und Li­teratur müssen vor dem Forum der Kritik erscheinen, um dort ihre Da­seinsberechtigung nachzuweisen. Jedermann, der die ihn beengende Barrière des Privatlebens überspringt, muß vor der obersten Zollbehör­de: Kritik Halt machen und sich einen Passirschein ausstellen lassen; nur das ›Visum‹ der Kritik öffnet diese gutbewachten Zollschranken.[/] Wenn nun Alles sich vor diesem absoluten Alleinherrscher: Kritik beu­gen muß, warum nicht auch die Kritik selbst? 26 Mit der Bedeutung, die diese Instanz für die Entwicklung der Bühnen­kunst hat, begründet Stein seine Kritik der Kritik. Über Fontane heißt es in diesem Buch, er sei gar kein echter Theaterkritiker und werde es»wohl auch