Fontane in der zeitgenössischen österreichischen Presse Rasch 29 Zeitcomödie(München, 1860), verleiht er seinen großdeutschen und zugleich gegen das Frankreich Napoleons III. gerichteten Phantasien pathetisch Ausdruck. Der Wiener Journalist gehörte politisch zu jener Minderheit im Kaiserreich, die eine Vereinigung Österreichs mit den übrigen deutschen Staaten anstrebte, trotz der Niederlage Österreichs im Deutschen Krieg von 1866. Als 1870 der Krieg gegen Frankreich ausbrach, ergriff er energisch das Panier für Preußen und dessen Verbündete:»Es ist Thalers Verdienst, daß die ›Neue Freie Presse‹ während des deutsch-französischen Krieges auf Seite Deutschlands stand«, heißt es 1877 im Deutschen Dichter-Lexikon von Franz Brümmer:»Freilich hatte er dieserhalb von den Herausgebern derselben mancherlei Unbill zu erleiden und verlor sogar seine Stellung; doch trat er mit Neujahr 1871 zur ›Presse‹ über und wurde im Dezember desselben Jahres Herausgeber der neu gegründeten ›Deutschen Zeitung‹, des Organs der deutsch-nationalen Partei in Oesterreich.« 8 1873 kehrte von Thaler in die Redaktion der Neuen Freien Presse zurück, nachdem ihm der Chefredakteur der Zeitung, Michael Etienne, »ein großzügiges finanzielles Angebot« 9 unterbreitet hatte. Etienne muss sehr viel geboten haben. Er wusste, was seine Zeitung an ihrem Redakteur und festem Mitarbeiter Karl von Thaler hatte. Thalers deutschnationale Gesinnung, vor allem seine ausgesprochen preußenfreundliche Haltung, war in Wien nicht unumstritten. In dem 1874 erschienenen Bändchen eines gewissen Don Spavento Wiener Schriftsteller& Journalisten wird ihm als Politiker ein ausgesprochen schlechtes Zeugnis ausgestellt. Er sei von einem»titanenhaften Dünkel« und extrem intolerant.»Für ihn ist Jeder, der nicht wie er denkt, besonders in Bezug auf Preußen, ein verwerfliches Subject, und seine Geistesverwirrung geht so weit, daß er von einem Manne, einem aus Wien gebürtigen Journalisten, sprechend, der die preußische Politik bekämpfte, ihn ein ›vaterlandsloses Individuum‹ nannte.« 10 Etwas freundlicher urteilt Don Spavento über den Literaturkritiker von Thaler:»Seine literarische Bildung übersteigt die der meisten Feuilletonisten Wiens, auch trachtet er fortwährend, dieselbe zu vermehren. Freilich werden diese kostbaren Eigenschaften, welche wir ihm zuerkennen müssen, in seinen Arbeiten stets durch einen Unfehlbarkeitsdünkel, der fast immer komisch wirkt, getrübt.« 11 Von einem»Unfehlbarkeitsdünkel« will Ernst Wechsler vierzehn Jahre später in seinem Buch über Wiener Autoren nichts wissen. Durch die Feuilletons Karl von Thalers wehe eine»wohlthuende Wärme des Gefühls, eine weise Milde des Urteils«. Nicht nur die Unbestechlichkeit und hohe Integrität des Mannes, auch ein starker Anteil von ›Gemüt‹ unterscheide ihn deutlich vom Gros der Wiener Feuilletonisten:»Schillernder Geistreichtum, blendende Thesen, ätzende Ironie sind die Kriterien des ›Wiener Feuilletonstils‹, der mehr berückt als erhebt, mehr glänzt als wärmt. Thalers Schreibweise hebt sich dagegen eigentümlich schön ab.« 12 Und auch den politischen
Heft
(2018) 106
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29
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