Heft 
(2018) 106
Seite
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Fontane in der zeitgenössischen österreichischen Presse  Rasch 31 Vom ›Ordinären‹ ist Fontanes Roman aus dem Winter 1812/13 weit entfernt. Er leidet eher, folgt man dem Kritiker, an den Folgen eines außerordentli­chen»Kunstgewerbefleißes« seines Verfassers, auch wenn von Thaler die mit»liebevoller und gewissenhafter Treue« geschilderten Szenen lobend hervorhebt und einzelne Genrebilder für ganz vorzüglich erachtet. Aber die Breite des Romans, seine musivische Anlage mit ihren»über­wu­chern(den)« Episoden, die handlungsarme Darstellung, kurz das, was ­Fontane einmal in einem Brief an Paul Heyse als»Vielheitsroman« 15 be­zeichnet, überzeugen von Thaler nicht. Den dritten Band des Werkes könne man bis auf wenige Ausnahmen komplett streichen, so befindet er, und dieser Band sei»charakteristisch für die ganze Art des Romans«. Von Thaler­stößt sich unbewußt am poetologisch innovativen Aspekt des»Viel­heitsromans«, mit dem Fontane von der herkömmlichen Erzählschablone abweicht und mit dem er intuitiv an das Konzept des»Romans des Neben­einander« von Karl Gutzkow anknüpft, den dieser 1850/51 erfolgreich in Die Ritter vom Geiste erprobt hatte. 16 Wie schon in der Besprechung von Kriegsgefangen macht Karl von Thaler auf einen persönlich sympathischen Zug des Verfassers aufmerk­sam: auf dessen»Unparteilichkeit« gegenüber dem Feind, den Franzosen. Ja, seinen Lewin von Vitzewitz lasse Fontane sogar»Mitleid mit den Fein­den« empfinden. Ein liebenswürdig menschlicher Zug. Doch genau an die­ser Stelle zieht von Thaler eine scharfe Trennlinie zwischen der Idealwelt des Kunstwerks auf der einen und den Gegebenheiten und Ansprüchen der wirklichen Welt auf der anderen Seite: Was man in einem Roman an menschlicher Gefühlsregung»nicht missen« wolle, eigne sich für die Real­politik noch lange nicht, und ›Mitleid‹ mit dem Feinde, schön zu lesen in einem Roman, könne in der Wirklichkeit sogar»gefährlich« werden. Von Fontanes nächstem Erzählwerk Grete Minde zeigt sich von Thaler dagegen zwei Jahre später restlos überzeugt. Er hebt neben dem Charakte­ristikum seines»volksthümlichen Geistes«, der»inneren Wahrheit und cul­turhistorischen Treue« dessen künstlerische Geschlossenheit hervor. Von Thaler lobt die»ungemein schlichte Einfachheit, die uns aber das Ergebniß einer sorgfältigen Kunst scheint« und erklärt es so für»das Beste, was aus Fontanes Feder geflossen«. Neben Grete Minde referiert von ­Thaler noch über sechs weitere aktuelle Novellenbände von Autoren, die deutlich jünger sind als Fontane. Bis auf Heyse sind sie heute gründlich vergessen: Paul Heyse(1830–1914), Heinrich Homberger(1838–1890), Bertha Glogau(geb. 1849), Hugo Rosenthal-Bonin(1840–1897), Ida von Brun-Barnow(geb. 1840) und R. v. Fels(d.i. Rosa Pirka, geb. 1842). Wieder gebührt Heyse der vor­derste Platz, denn es sei»wol selbstverständlich«, so von Thaler,»daß man seiner an erster Stelle gedenkt. Bietet doch das Vergnügen, einige neue Ar­beiten aus seiner Feder zu lesen, eine Entschädigung für die mitunter recht