Heft 
(2018) 106
Seite
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34 Fontane Blätter 106 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes dem Gefechte von Chatillon eingebracht wird. Es waren zwölfhundert »preußische« Gefangene in Besançon angesagt, und nun kamen ihrer im Ganzen fünf. Befragt, wo die anderen elfhundertfünfundneunzig geblie­ben seien, erwiderte der Oberländer gemüthlich:»Sisch e Trost; wenn mer mit fünfhundert ins Gefecht geht, kann mer nit zwölfhundert verlieren«. Die letzten drei Tage in Besançon wohnte Fontane im Officiersgefäng­niß, und als man ihm dann eröffnete, er werde über Lyon und Moulins, Poitiers und Rochefort nach der Insel Oléron geschafft werden, gab ihm der Commandant eine Ordre mit, die alle Militär- und Civilbehörden an­wies, den Gefangenen als» officier supérieur« zu behandeln. Das geschah denn auch überall, und wo man nicht recht daran wollte, half die wohlge­füllte Börse Fontanes nach. Auf Oléron blieb unser Schriftsteller bis zum 26. November, an welchem Tage ihn ein Decret Gambettas auf Fürbitte des Herrn Crémieux in Freiheit setzte. Die Schilderungen der Insel, des Auf­enthalts mit seinen kleinen Leiden und Freuden sind anziehend und wer­den belebt durch eingeflochtene Erzählungen einzelner Gefangener. Unter Anderem erhalten wir eine vollständige und genaue Schilderung des viel­besprochenen Ueberfalls von Ablis von zwei Augenzeugen, dem Sergean­ten Polzin vom 16. preußischen Husaren-Regiment und dem baierischen Corporal Vollnhals. Interessant sind auch die Berichte des Jägers Schön­feldt und des Unterofficiers Janeke vom 3. Garde-Uhlanen-Regiment, die Beide bei Ueberfällen durch Franc-tireurs gefangengenommen wurden. Mit wahrem Vergnügen liest man von der herzlichen Brüderlichkeit zwi­schen den Süddeutschen und Norddeutschen, die sich unter allen Gefan­genen zeigte. Nicht minder erfreulich aber berührt die Art, wie Fontane während seines ganzen unfreiwilligen Aufenthaltes in Frankreich begegnet ward. Der französische Volkscharakter hat während des letzten Krieges manche häßliche Seite gezeigt und die herbsten Angriffe erfahren. Fontane, der gewiß in der Lage ist, aus unmittelbarer Anschauung urtheilen zu können, spricht dagegen manches freundliche Wort zu Gunsten der Franzosen. Er versichert, daß ihm während der zwei Monate seiner Gefangenschaft kei­nerlei Nationalhaß, noch weniger irgend eine Rohheit entgegentrat, ausge­nommen die Schimpfworte und Drohungen, welche er manchmal bei der Escortirung durch die Straßen, dann aber blos von Gassenjungen und Leuten aus der Hefe des Volkes, zu hören bekam. Er rühmt die humane, artige Weise der französischen Beamten, welche, obwol häufig seinetwe­gen aus dem ersten Schlafe geweckt, nie üble Launen oder barsche Manie­ren zeigten. Für die Gendarmen, deren er während seines Transportes eine nette Anzahl kennen lernte, schwärmt er förmlich und betont die un­aussprechliche Verachtung, mit welcher diese altgedienten Soldaten auf Nationalgarden, Mobile und Franc-tireurs heruntersahen. Uebrigens ist Fontane nicht blind für die Ruhmredigkeit und das Phrasenthum der