Heft 
(2018) 106
Seite
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36 Fontane Blätter 106 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Contingenten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, und die Freude an den Siegen der Preußen ist stets gedämpft durch den wehmüthigen Gedanken, daß sie im Bürgerkriege erfochten wurden. In der bekannten Streitfrage, ob die Baiern an der Capitulation der Hannoveraner Schuld waren oder nicht, steht Fontane mit aller Entschie­denheit für den vielgeschmähten Prinzen Karl von Baiern ein. Er sagt, das Wort des Prinzen:»Mit einer Armee von zwanzigtausend Mann muß man sich durchschlagen«, sei das Richtigste in der ganzen Debatte gewesen, die sich zwischen Hietzing und Koburg bis in das Jahr 1869 fortspann. Er weist überzeugend nach, daß die Hannoveraner vom 21. bis zum 25. Juni alle Wege gegen Süden offen hatten, daß sie selbst am Abend des 27. durchbrechen konnten, wenn sie vernünftiger geführt worden wären und nicht kleine politische Rücksichten ihre militärischen Bewegungen ruinirt hätten. Die baierische Heerführung verurtheilt Fontane im Uebrigen vollstän­dig; er führt eine Reihe von Aeußerungen aus dem Munde hoher baieri­scher Officiere an, welche mit den schlimmsten Ahnungen in den Kampf zogen, wie die beiden Generale Zoller und Faust. Der Tapferkeit der baieri­schen Soldaten gedenkt unser Buch mit hohem Lobe und mehrmals spricht Fontane den Gedanken aus, was solche Truppen unter besserer Leitung geleistet hätten. Nun, die Baiern haben es seitdem auf französischem Bo­den bewiesen! Die berüchtigte Panique bei Hunsfeld und Gersfeld, wo ein einziger preußischer Granatschuß sechs baierische Reiter-Regimenter in so sinnlose Flucht jagte, daß sie zum Theile bis Würzburg stoben, ent­schuldigt Fontane mit der freundlichen Versicherung:»Auch der besten Truppe könne ein solches Unglück begegnen und man dürfe deßhalb nicht über die baierische Cavallerie spotten. Dergleichen soll nicht vorkommen, aber alle Kriege bezeugen es, es kommt immer wieder vor.« An die Gefechte um Kissingen, die Fontane mit besonderer Ausführ­lichkeit schildert und die volksthümlichsten weil poetisch gefärbten Kämp­fe des ganzen Krieges nennt, knüpft er eine Bemerkung über die preußi­sche Armee, die Manchen überraschen wird.»Das Gefecht bei Kissingen,« sagt er,»hat in sehr charakteristischer Weise die hellen Lichtseiten und die Schattenpartien unseres Heeres gezeigt. Das offensive Element, das senti­ment individuel, das die Armee vom obersten Führer bis zum letzten Sol­daten belebt, der Geist der Initiative sie umschließen auch ihre Gefahren und führen unter Umständen zu einem völligen Sich-Emancipiren der Theile, das einem ebenbürtigen Gegner gegenüber kaum immer in der Lage sein würde, sich siegreich zu behaupten.« Ueber die Abberufung Vogels v. Falckenstein verbreitet sich Fontane sehr eingehend, aber doch vorsichtig. Mag sein, daß die königliche Abbe­rufungsordre, die den ausgezeichneten General am 17. oder 18. Juli in Frankfurt traf, nur in Folge des Eindrucks erlassen ward, den Langensalza