Heft 
(2018) 106
Seite
52
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52 Fontane Blätter 106 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte ­Familienspuks, nun ein Raub der Flammen wird, erlöst sie von schlimmen Ängsten. Das indirekte Darstellungsverfahren zeugt von der Scheu des Er­zählers, den magischen Vorgang unmittelbar zu beglaubigen. Das macht er tatsächlich nie. Immer verwendet er Botenberichte, Geschichtenerzäh­ler, Beobachtungen im Nachhinein. Ihm geht es vor allem darum, die Wir­kung magischer oder gespenstischer Erscheinungen auf seine Figuren zu beobachten. Geisterseher und die Paradoxie des Gespensterunglaubens »›Pastoren glauben zwar nicht an Gespenster, aber wenn welche kommen, graulen sie sich auch‹« 29 , scherzt Baron von Stechlin mit dem Dorfpfarrer Lorenzen und formuliert damit ein Paradox, das die Geister scheidet. ­Streitet man nämlich die Existenz von Gespenstern schlichtweg ab, hat sich die Sache erledigt und man scheint gefeit vor Gespensterfurcht. Wider­fährt einem dann aber ein spukähnliches Erlebnis oder gruselt man sich auch nur ein klein wenig, wenn eine Spukgeschichte erzählt wird, bricht diese Sicherheit in sich zusammen und das Geleugnete gewinnt eine schillernde Realität. Das Irrationale kann dann ganz plötzlich Besitz von einem ergreifen. Fontane verstand einiges von den guten alten Gespenstern, weshalb sie durch die meisten seiner Romane geistern dürfen, aber nicht wie in der romantischen Literatur als Boten aus der eigentlichen und wahren Jenseits­welt, sondern facettiert und gebrochen in den Erinnerungen, Briefen und Erzählungen der Romanfiguren und als Teil eines Erzählkalküls, das den Geschichten einen bestimmten Dreh verleiht, um etwa die Erfahrung des Fremden und des Fremdseins darzustellen. An einigen Stellen treten die Jenseitswesen höchst persönlich auf, aber auch in diesen Fällen bleiben wir im Ungewissen, ob nicht vielleicht doch eine Halluzination oder eine Täu­schung im Spiel ist. Eine Unschärfe bleibt immer. Die literarische Verwendung von Spuk und Geistern hat der junge ­Fontane von Theodor Storm lernen können. Als der bewunderte Husumer Dichter Mitte der Fünfzigerjahre in Potsdam lebte und man sich in der Künstlergruppe ›Tunnel über der Spree‹ oder bei Freunden traf, trug Storm gerne,»während seine Augen wie die eines kleinen Hexenmeisters leuchte­ten«, im Halbdunkel eines grünen Lampenschirms Gedichte vor:»Wir soll­ten von dem Halbgespenstischen gebannt, von dem Humoristischen erhei­tert, von dem Melodischen lächelnd eingewiegt werden das alles wollte er auf unseren Gesichtern lesen, und ich glaube fast, daß ihm diese Genugtu­ung auch zu teil wurde« 30 , berichtet Fontane. Die Storm-Abende bewiesen, dass auch die nüchternsten Zeitgenossen Relikte des alten Gespensterglau­bens in sich trugen und ins Zittern gerieten.