Heft 
(2018) 106
Seite
78
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78 Fontane Blätter 106 Freie Formen ersten Idee zum fertigen Text selten rekonstruierbar. Eine Liste ist eben nicht mehr als eine Liste, sodass wir wieder an das oben erwähnte Prob­lem rühren: Die Materialien aus dem Nachlass zeigen uns nicht so etwas wie das große Ganze, sondern das Kleine und das Konkrete Fontanes Schreibapparat, in dem Hand und Kopf einen Dialog eingehen. Sichtbar ist der»Lausedichter, zum Theil sogar aus Passion; aber doch auch wegen der Abwesenheit des Löwen.« 14 Um die Besucher in diese Schreibbewegungen und Phantasieräume, in diese Vor- und Hinterhöfe, Keller und Dachböden der Texte zu verwickeln, werden wir in der Ausstellung in einem großen Raum zu»Fontanes Kopf. Schreiben« Originale und Projektionen mischen. Viele Seiten aus den No­tizbüchern, Materialsammlungen und Manuskripten werden als Film auf einen großen Werkstatt-Tisch neben die Original-Notizbücher projiziert (wir zeigen zum ersten Mal, was erst die digitale Notizbuch-Edition mög­lich gemacht hat, alle überlieferten 67 und müssen aus konservatorischen Gründen sieben Mal während der Ausstellungslaufzeit umblättern und manche Bücher und Seiten faksimilieren) ein sanft bewegtes Meer aus Papieren und Zeichen, in dem dann auch Phänomene, die sich wiederholen, deutlich, aber flüchtig aufscheinen und von uns mit Hilfe von Hashtags (z.B.#Streichen,#Drehen,#Wenden,#Liste,#Plan,#Karte,#Namen, #Schneiden,#Kleben,#FremdeTexte,#DreiLinien,#WieTinte,#InEtwa, #Realismus,#Parallelaktion,#Fahren,#Wanderungen,#Gedicht,#Roman, #Theater,#Kunst,#Krieg) verknüpft werden. Wir projizieren dabei nach dem Zufallsprinzip, nicht in einer textgene­tischen Reihenfolge von der Idee zum Ziel. Wer schreibt, wer liest, legt ei­nen Weg zurück, der von Zusammenballungen, Parallelaktionen, Sprün­gen und Lücken, Mustern und Serien geprägt ist, von einem Hin und Her und Kreuz und Quer, und nicht nur schlicht von A nach B führt. Mit Hilfe von interaktiven Projektionen werden leere oder auch schon auf einer Seite gefüllte Blätter und Notizbücher langsam beschrieben, transkribiert und kommentiert, sobald die Besucher sie in die Hand nehmen und drehen und wenden. Sie werden dann tatsächlich sehen können, wie Fontane am Schluss-Satz des Stechlin schraubte, wie er an Die Brück am Tay herum­dichtete und daneben später eine Aufführung von Schillers Kabale und Liebe skizzenhaft notierte oder wie er eines seiner berühmtesten Leitmoti­ve schon in einem frühen Entwurf fand:»Es ist ein weites Feld«. PT: In der Ausstellung verbindet Ihr die Darbietung des Analogen par ex­cellence also von Handschriften in ihrer Materialität, Authentizität und Einzigartigkeit mit digitalen Präsentationsformen. Dass das Digitale das Materielle bedroht und verdrängt, wie man zuweilen liest, dass es hier also eine Konkurrenzsituation gibt, scheint für Dich kein Problem zu sein?