Heft 
(2018) 106
Seite
89
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Christiane Barz im Gespräch mit Peer Trilcke 89 Brandenburg, wie sie von Fontane niedergeschrieben wurden, werden also für uns heute noch einmal gebrochen durch die europäische, ja vor allem von Deutschland ausgehende Zerstörungsgeschichte, was ja auch eine mahnende Botschaft dieses Textes sein könnte. Aber lassen Sie uns zurückkommen auf die geplante Ausstellung. Mein Eindruck ist, dass Sie die Wanderungen immer auch als eine Methode begreifen? CB: Ja, und zwar eine Methode, die Fontanes höchsteigene Erfindung ist und auf die er auch sehr stolz war. Er selbst hat die Bezeichnung ›Reise­feuilleton‹ geprägt 12 für ein unsystematisches Vorgehen, das»allem Sys­tematischen ein Schnippchen« schlägt. 13 Spielerisch, novellistisch soll er­zählt werden. Der Umgang mit Geschichte ist hier besonders bezeichnend: Die Wanderungen sind eben kein Geschichtsbuch, Fontane erzählt so de­tailverliebt und sprunghaft, wie er das im Geschichtsunterricht von seinem Vater kennengelernt hat, den er in Meine Kinderjahre beschreibt. 14 Gerade­zu programmatisch interessiert ihn dabei das, was vor und was neben der großen, offiziellen Geschichtsschreibung liegt. Vor der Geschichte: Das sind dann zum Beispiel die Wenden und die Sagenzeit der Uchtenhagens, Perioden, wo es noch keine schriftlichen Quellen gibt, wo man also auf die mündliche Tradition angewiesen ist. Und ihn interessiert, was neben der Geschichte liegt: Bei der Küstrin-Katte-Geschichte blickt er nicht etwa auf die Tragödie von Friedrich, sondern auf Katte, der in der Geschichtsschrei­bung seiner Zeit eine Nebenfigur gewesen ist. 15 Oder Schinkel, der kommt an einigen Stellen in den Wanderungen vor, aber eben weniger als Archi­tekt, vielmehr als Maler. 16 Dieser Blick auf das scheinbar Nebensächliche ist typisch für die ›Methode Fontane‹. PT: was ja zu mehreren Aussagen auch über das Romanwerk passt, wo Fontane auch wiederholt die Bedeutung der ›Nebendinge‹ betont. Die Hauptsache ließe sich recht schnell erzählen ein Ehebruch, ein Mord, eine Hochzeit oder ein Todesfall, die Nebendinge aber brauchen Raum für die Entfaltung, auch weil sie den Sinn der ganzen Geschichte tragen. 17 Zeigt sich da eine ›Methode Fontane‹, die über die Gattungen hinweg, also trans­generisch, funktioniert und auch den Umgang mit der Geschichte in den Wanderungen prägt? CB: Sicher gibt es diese hier wir dort, in unterschiedlichen Gattungen, an­gewandten Schreibstrategien. Aber es gibt eben auch Differenzen, etwa beim Umgang mit Räumen, mit Landschaften, der ist ein ganz anderer in den Wanderungen als in den Romanen. In den Wanderungen ist die Land­schaft als ›historische Landschaft‹ etwas, das wie die Prinzessin im Mär­chen wachgeküsst werden soll. Wenn es hingegen in den Romanen hinaus in die brandenburgische Landschaft geht, dann begibt man sich meist auf eine Landpartie, man reist also touristisch, zu einem erschlossenen Ort. Brandenburg, seine Orte, sind in den Romanen vor allem Element einer