Heft 
(2018) 106
Seite
90
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90 Fontane Blätter 106 Freie Formen Erzählstrategie, die auf eine Dynamisierung der Handlung zielt, auf Ver­strickungen und Metamorphosen. PT: In den Wanderungen ist Brandenburg also ein Raum mit entschiede­nem Eigenwert, in den Romanen ein funktionalisierter Raum? CB: Ja, ein Raum, der in den Romanen zwar in der Figurenperspektive als Gegenraum inszeniert wird, damit aber keine Eigenständigkeit gewinnt, weil die zivilisatorischen Errungenschaften oder besser: die Urbanität Berlins dorthin einfach transplantiert wird. Man denke an Hankels Ablage in Irrungen, Wirrungen und die dort aufgeführten Rollenspiele: In den Ro­manen entkommt man selbst im Ländlichen dem modernen Lebensraum nicht. PT: Oder anders gesagt: Auch am Stechlin empfängt man nicht nur Tele­gramme, sondern auch, so vermutet ja Adelheid in diesem Roman empört, Zigaretten rauchende und damit progressive Frauen wie Melusine. Doch kommen wir noch mal zurück zur Methode der Wanderungen: Was macht diese noch aus? CB: Wo wir schon bei der mythischen Melusine sind: Wenn man genau hinsieht, arbeiten die Wanderungen mit einer märchenhaft-magischen Metaphorik, die ja dem journalistischen Ansatz auf den ersten Blick wider­spricht; ähnlich wie die mythische Symbolik in den Romane dem realisti­schen Erzählen widerspricht. In den Wanderungen gibt es zum Beispiel eine ausgeprägte Zaubermetaphorik, die Fontane als Methode einsetzt, um seine Objekte dann eben doch zu poetisieren. Die Prinzessin im Mär­chen, die von ihrem Bann erlöst werden muss, habe ich schon erwähnt. Dafür aber braucht es den Prinzen. Oder den poetischen Journalisten, den Reisefeuilletonisten. Die Mark Brandenburg wird so zu einer Landschaft, die so sagt es Fontane an anderer, aber auf die Wanderungen beziehbarer Stelle mit der ›Wünschelrute‹ bereist und auf diese Weise entdeckt und erweckt werden muss. 18 Auch das hat etwas Magisches. Wobei diese Metapher auch eine anschaulich-realistische Dimension hat: Es geht ja um diese mitunter kar­gen, zuweilen reizlosen Oberflächen, die eine Tiefendimension bekommen, für die es aber eines speziellen Sensoriums bedarf. Und dann gibt es noch die Metapher der Tarnkappe. Erinnern Sie sich daran? PT: Also ich kenne die Tarnkappe aus den Märchen und Mythen die Nibe­lungen, den Tannhäuser oder den Peter Schlemihl, der ja von Chamisso teils in Kunersdorf niedergeschrieben wurde, wie Fontane in dem Wande­rungen-Kapitel berichtet, von dem Sie vorhin erzählt haben. Aber ich rede mich raus. An eine Tarnkappe in den Wanderungen kann ich mich nicht erinnern.