Heft 
(2018) 106
Seite
92
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92 Fontane Blätter 106 Freie Formen portage, etwa wenn Fontane über die Torfstecher im Wustrauer Luch oder über die Ziegelbrennerei in Glindow schreibt. 22 Da beschreibt er eine Sze­nerie, die von Modernisierungsschäden gekennzeichnet ist. Hier ist Fonta­ne fast als ein naturalistischer Reporter unterwegs, wobei sich dann auch zeigt, dass Brandenburg keineswegs ein vormodernes Idyll ist. Es ist nicht das ganz Andere von Berlin und der Moderne, die Zeiten durchdringen sich, auch und gerade in Brandenburg. Die Industrialisierung ist das Ende jenes Zeitstrahls, der mit den Wenden beginnt. Wobei Fontane das nicht als Verfallsgeschichte erzählt. Ohne die Eisenbahn etwa wäre er weit we­niger herumgekommen. PT: Mich interessiert noch einmal die Frage, wie und ob sich das alles zu­sammenfügt. Es gibt ja die Position, dass Fontane mit seinen Wanderun­gen die Mark Brandenburg als einen Kulturgeschichtsraum allererst ge­stiftet hat, was ja auch die Vorstellung aufruft, es ginge hier um einen einheitlichen Raum, um eine einheitliche Identität. Gibt es diese Tendenz zur Synthese in den Wanderungen? CB: Das ist eine schwierige Frage, weil eine Systematik ja dezidiert nicht angestrebt wird. Das Bild bleibt mosaikhaft und sehr von subjektiven Inte­ressen geleitet. Der Eindruck einer Kontinuität, vielleicht auch einer Syn­these, der sich mitunter einstellt, ist dann eher ein Effekt literarischer, nar­rativer und auch rhetorischer Verfahren. PT: Fontane verfolgt also weder eine systematische, so etwas wie enzyklo­pädische Totalität anstrebende Herangehensweise, noch ein frühroman­tisches Konzept, wo man sich zwar dem Fragment widmet, in diesem Frag­ment dann aber den Aufschein des Ganzen erahnt. In Fontanes Wan­derungen begegnet uns vielmehr etwas Späteres, Postromantisches? CB: Das Verhältnis zum Romantischen ist keineswegs so einfach. Interes­sant ist, dass Fontane, wenn er sich etwa im Austausch mit seinen Verle­gern über seine Methode äußert, wiederholt auch auf seine Dichterkolle­gen zu sprechen kommt, einige davon porträtiert er ja auch in den Wanderungen. Fontane ist keineswegs der Pionier in der Literarisierung der Mark, er hatte Vorgänger, von denen er sich aber abgrenzt. Schmidt von Werneuchen ist einer dieser Kollegen, den man zu den ›Sängern der Mark‹ zählen könnte(eine Bezeichnung, die Fontane gehasst hat). Oder der »Hans Sachs von Freienwalde«, Karl Weise, ein»Poet und Drechslermeis­ter«, den Fontane für den Oderland-Band besucht hat. 23 In ihm findet Fon­tane ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll, wobei er sich am »wahrhaft beängstigendem Drange nach Vollständigkeit« stört, also dar­an,»jede[r] Kuppe, jedem landschaftlichen Punkt einen poetischen Zettel umzuhängen. Das glückt aber nie«, kommentiert Fontane:»Eine solche Aufgabe ist unpoetisch in sich und in derselben Weise, wie es unmöglich