Heft 
(2018) 106
Seite
93
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Christiane Barz im Gespräch mit Peer Trilcke 93 ist, auf sämtliche Schiffe der englischen Flotte oder auf sämtliche Regi­menter der preußischen Armee einen Sonettzyklus zu machen, so verbietet sich auch, die weit ausgespannte Freienwalder Landschaft Nummer für Nummer zu besingen.« 24 PT: Ein solches ›Nummer für Nummer-Besingen‹ wäre dann der systema­tisch-enzyklopädische Ansatz. CB: Ja. Fontane hingegen zielt auf das Charakteristische: für ihn ein zent­raler Begriff, und zwar werküberspannend, transgenerisch. Ihn interes­siert dasjenige, in dem sich Wesenhaftes konzentriert, in der Geschichte, in den Biografien. In der Landschaft wäre das das Malerische, und da ist Fontanes Ansatz dann doch romantisch gefärbt. PT: Wobei dieses Charakteristische sich ständig erweitert, damit auch im Laufe des Wanderungen- Projekts an Vielfalt gewinnt. CB: Fontane hat ja auch diese Mappe mit Ideen und Notizen zu weiteren Artikeln geführt, die bei Ihnen im Theodor-Fontane-Archiv lagert und auf der steht»Bei jeder neuen Auflage durchzusehn«. 25 Auch hat er die einzel­nen Bände bei weiteren Auflagen teils massiv überarbeitet. Die Wanderun­gen sind als Text ein work in progress. Und das Gleiche kann man für die Mark Brandenburg sagen, die sich eben auch ständig wandelt. Fontane do­kumentiert das auch selbst, zum Beispiel schreibt er programmatisch im Vorwort zur 2. Auflage von Havelland, er habe»das meiste so[] belassen, wie sichs etwa ums Jahr 70 dem Auge präsentierte«, er plädierte also für die Momentaufnahme, um dem Zwang zu ständiger Aktualisierung zu ent­gehen. 26 PT: Wie vermittelt man nun aber so ein reiches, in Teilen sicher auch sper­riges Werk wie die Wanderungen? Wie wollen Sie so etwas ausstellen? CB: Mit mittlerweile gutem Mut. Ich selbst war durchaus eine harte Nuss, die erst einmal geknackt werden musste.»Es gibt Orte, wo was los ist, und es gibt Brandenburg«, wie Rainald Grebe singt der Ansicht war ich an­fangs auch. Bei Fontanes Romanen gab es für mich Herzenstexte. Die Wan­derungen hingegen hätte ich niemals freiwillig gelesen, schon gar nicht von A bis Z. Aber es hat sich gelohnt, und nach und nach hat der Text mehr und mehr Funken geschlagen. Und wenn das für mich funktioniert, dann wird es auch, hoffe ich, für andere so sein. Hilfreich dabei ist sicherlich, dass Fontane uns mit dem Text selbst be­reits etwas an die Hand gibt, denn er legt die Wanderungen als dezidiert didaktisches Projekt an. Zum einen will er zeigen, dass es nicht die Ge­schichte gibt, sondern dass Geschichte aus Geschichten und aus Ge­schichtsbildern gemacht wird. Zum anderen geht es um diese Wünschel­ruten-Methode, über die wir schon sprachen, also darum, zu zeigen, dass