Heft 
(2018) 106
Seite
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94 Fontane Blätter 106 Freie Formen es auch in der Nähe interessant ist, selbst wenn man zunächst den Ein­druck hat, die Landschaft liege reizlos da. Das lässt sich nun auch auf den Text der Wanderungen übertragen, in dem es ja tatsächlich Passagen von geradezu wahnwitziger Langweiligkeit gibt, die aber, wenn man sie denn aufschließt, großartige Entdeckungen ermöglichen, etwa was die Entste­hung dieser Texte, ihre Objekte und ihre Methode, betrifft. In der Ausstellung wollen wir solche Entdeckungen entlang von drei Metaphern ermöglichen. Die erste Metapher ist die ›Mobilität‹, das Sichbe­wegen im Raum(das ja auch zugleich der Modus ist, in dem man die Aus­stellung erfährt). Wie reiste Fontane eigentlich, mit welchen Verkehrsmit­teln, wie hat er sich vorbereitet, wie hat er vor Ort gearbeitet, was etwa hat er ins Notizbuch geschrieben? Die zweite Metapher ist die ›Montage‹. ­Fontanes Arbeit mit Erzählbausteinen, die sich auf die Referenzobjekte be­ziehen, ist ein modulares Verfahren, das sich in der Ausstellung auch in einer modularen Darstellungsweise widerspiegeln soll. Schließlich, dritte Metapher: das ›Fließen‹, also Fontanes fluide Arbeitsweise am Text. Es ist konstitutiv für die Wanderungen, dass Fontane diese vier Bände nicht streng chronologisch nacheinander erarbeitet und publiziert hat, sondern dass dieses Projekt ständig in Bewegung blieb und auch die einzelnen Bän­de miteinander kommunizieren: Da gibt es im letzten Band Teile, die im ersten schon als Nukleus vorhanden waren. Und während Fontane an ei­ner weiteren Auflage der ersten Bände saß, reiste er schon wieder an ande­re Orte für die nächsten Bände. An allen Ecken und Enden der Textgenese hängen sozusagen Fäden heraus, die Fontane immer wieder aufnimmt. PT: Eine letzte Frage: Wenn Sie ein Fontane-Objekt erfinden könnten, das es nicht mehr gibt oder vielleicht niemals gab, das Sie aber gern ausstellen würden was wäre das? CB: Ein Objekt, das ich unglaublich gerne zeigen würde, das es aber mit Sicherheit nicht gibt, ist Fontanes Badekostüm. Er reiste ja viel im Sommer, er fuhr auch gerne aus Berlin raus, etwa nach Hankels Ablage, um der Ber­liner Sommerhitze zu entgehen. Und dann beschreibt er Seen über Seen, an denen er vorbeikommt, auch bei Hitze. Ich kann mir einfach nicht vor­stellen, dass er sich das Vergnügen nicht gegönnt hat, da reinzuspringen. Sicher, wir wissen es nicht. Aber zum Ende des 19. Jahrhunderts kommt ja auch langsam die Lebensreform mit ihren Prinzipien ›Licht‹, ›Luft‹, ›Was­ser‹ auf, die bei Fontane in den Briefen und im Werk schon eine Rolle spie­len. Kurz gesagt: Ich stelle mir Fontane als einen Badenden vor, und das heißt: im Badekostüm. Das zu zeigen, wäre ein Traum.