Heft 
(2018) 106
Seite
99
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Fontane im digitalen Labor 99 wissenschaft ist dabei kein gänzlich eigenständiges Forschungsfeld, sie er­setzt nicht die Interpretation von Texten oder gar die imaginative Lektüre; sie will diesen ›natürlichen‹ Umgang mit Texten aber doch durch einen an­deren, digitalen Zugang ergänzen. Dieser digitale Zugang ist in der Regel ein quantitativer, was zunächst nichts anderes bedeutet, als dass man hier insbesondere auf das zurückgreift, was Computer deutlich besser können als der Mensch, nämlich zählen. Um ein Beispiel zu nennen: Die Frage, wie häufig Fontane in seinen Romanen ›Potsdam‹ erwähnt, lässt sich lesend nur mit erheblichem Zeitaufwand beantworten, der Computer hingegen liefert die Antwort in Sekunden(sie lautet ›32‹). 3 Dass wir es hier mit einer denkbar einfachen Frage zu tun haben, die allein auf einer Zähloperation beruht und deren wissenschaftlicher Er­kenntniswert zudem recht gering ist, ist unbestreitbar. Die digitalen Werk­zeuge jedoch, die Informatik oder Computerlinguistik heute bereitstellen, ermöglichen deutlich anspruchsvollere, komplexere Fragen, die sich etwa statistischer Operationen oder Techniken des maschinellen Lernens bedie­nen. Ob diese Fragen für die Literaturwissenschaft auch sinnvoll sind und ob die Antworten, die die digitalen Werkzeuge geben, uns auch etwas Neu­es über die literarischen Texte sagen das zu erproben und auszuloten, ist die Mission, zu der die Digitale Literaturwissenschaft angetreten ist. Mit noch offenem Ausgang. Seine im(besten Sinne) traditionellen philologischen Forschungspro­jekte flankierend, hat sich das Theodor-Fontane-Archiv in den vergangenen Monaten für Fragen und Methoden dieser Digitalen Literaturwissenschaft geöffnet; ein wenig skeptisch, vor allem aber neugierig, ob diese neuen Me­thoden der Literaturwissenschaft nicht auch neue, andere, interessante Zu­gänge zu Theodor Fontane eröffnen könnten. An diesem laufenden Experi­ment möchten wir die möglicherweise ebenfalls neugierigen Leserinnen und Leser der Fontane Blätter teilhaben lassen. Die vier im Nachfolgenden abgedruckten, jeweils kurzen Präsentatio­nen sind das Ergebnis eines ebenfalls eher ungewöhnlichen Veranstal­tungsformats. Im Juli 2018 hat das Theodor-Fontane-Archiv, in Koopera­tion mit Prof. Dr. Heike Gfrereis vom Deutschen Literaturarchiv Marbach, mehr als 20 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studenten und Studentinnen aus Potsdam, Basel, Stuttgart, Göttingen, Wien und Moskau zu einem philologischen ›Hackathon‹ eingeladen. Ein Hackathon (eine Wortbildung aus ›Marathon‹ und englisch ›Hacken‹, letzteres meint so viel wie ›technisches Tüfteln‹) ist eine im Bereich der Informationstechnolo­gie etablierte Form der gemeinsamen, also der kollaborativen Softwareent­wicklung. Mehrere Teams treffen sich für einige Tage und versuchen in die­ser Zeit, gemeinsam Fragen zu beantworten, Analysen durchzuführen, Ergebnisse zu erarbeiten.