Heft 
(2018) 106
Seite
148
Einzelbild herunterladen

148 Fontane Blätter 106 Rezensionen und Annotationen Begegnungen und Erfahrungen«(Bd. 1, S. 10) aufzuzeigen. Durch eine(kul­tur)historische Kontextualisierung sollen die Veränderungen, die im Um­gang mit Krankheit, Tod und Sterben in den letzten 150–200 Jahren vor sich gegangen sind,»im Blick auf ihren Niederschlag in der belletristischen ­Literatur«(ebd.) rekonstruiert werden. Die insgesamt 28 Beiträge der interdisziplinären Vorlesungsreihe stam­men von Literaturwissenschaftlern, Medizinhistorikern, Medizinern, Kul­turwissenschaftlern, Komparatisten, Philosophen, Historikern, Psychia­tern und einer Dozentin für Poesie- und Bibliotherapie und richten sich nicht nur an Literaturwissenschaftler, sondern auch an Ärzte, Pflegende, Hospizmitarbeiter und»alle, die sich von Sterben und Tod herausgefordert fühlen«(Bd. 1, S. 11) und es handelt sich ja in der Tat um ein»uns alle be­treffendes Thema«(ebd.). Die multiperspektivische Annäherung an das Thema bringt eine sehr reichhaltige, aber(ausgehend von dem weit gefass­ten Vorhaben) notwendigerweise auch etwas beliebige und(abgesehen von der chronologischen Aufteilung) unsystematische Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Krankheit, Tod und Sterben mit sich. Als Prämisse gilt dem Vorwort zufolge, dass literarisches Schreiben mehr oder weniger mit der eigenen Lebensgeschichte verknüpft ist, dass das Autobiographische und Biographische essentielle Elemente des Schrei­bens sind(vgl. Bd. 1, S. 11). Diese Grundannahme impliziert bereits eine ganz bestimmte literaturtheoretische Herangehensweise bzw. schließt an­dere aus denn auch, wenn hier vom Tod des Schriftstellers die Rede ist, spielt der ›Tod des Autors‹ in den Beiträgen keine Rolle. Die Verschränkung von Leben und Werk eines Autors bzw. einer Autorin zu untersuchen, ist je nach Text und konkreter Fragestellung durchaus ein legitimes, nicht selten auch ein lohnendes Anliegen; dabei gilt indes, dass manche Texte die Frage nach dem Autor eher aufwerfen als andere und dass einige wieder­um regelrecht von der Abwesenheit des Autors profitieren, zumal in wis­senschaftlichen Lektüren. In der Auseinandersetzung mit ›Krankheit, Ster­ben und Tod im Leben und Schreiben von Schriftstellern‹ muss man sich stets der Gefahr einer biographistischen Sichtweise auf den literarischen Text bewusst sein, denn, wie Josef P. Mautner sehr richtig in seinem sehr guten Beitrag»›Der Kranke ist der Hellsichtige‹. Überlegungen zur Verhält­nisbestimmung von Literatur und Krankheit in den autobiographischen Texten Thomas Bernhards« schreibt:»eine Lektüre der sog. ›autobiogra­phischen‹ Pentalogie als reiner ›Krankengeschichte‹[würde] deren literari­schen Sinn verfehlen.«(Bd. 2, S. 203) Die Rückführung auf das Leben des Autors ist dann gerechtfertigt, wenn dem Text dadurch nichts von seinem literarischen Eigenwert genommen wird. Wer Leben und Schreiben direkt aufeinander bezieht, muss sich die Frage gefallen lassen, welcher Erkennt­nisgewinn daraus resultiert. Diese Rezension, dies vorausgeschickt, ist von