Berbig, Faber, Müller-Busch(Hrsg.): Krankheit, Sterben und Tod Helmer 149 einer Literaturwissenschaftlerin geschrieben und bewertet die einzelnen Texte in erster Linie aus einem literaturwissenschaftlichen Blickwinkel. Von Medizinern für medizinisch Interessierte verfasst sind diejenigen Beiträge, die den Fokus auf Krankheit und Sterben des Autors richten – so die Aufsätze von Christian Schmitt(»Anamnese, Alkohol, Empathie – Aspekte der Krankengeschichte Uwe Johnsons«), Klaus-Jürgen Neumärker (»Krankheit und Sterben bei Hans Fallada. Eine Chronik des Leidens«) und Roland Schiffter(»Vom Lieben, Leiden und Sterben des Heinrich Heine«) und das Werk mehr oder weniger außer Acht lassen – bzw., wie im Falle Schiffters, Heines Gedichte in den Dienst einer Diagnosefindung stellen. Für den Arzt mag es von besonderem Interesse sein, dass Heinrich Heine an Neurosyphilis litt und starb, der Literaturwissenschaftler benötigt diese Information nicht, um etwa das skandalös Neuartige in Heines lyrischer Reflexion seines Siechtums zu erfassen, wovon hier wiederum nicht die Rede ist. Auch Thomas Schindler(»Goethes Gedanken über Sterben und Tod und die Kunst des Lebens«), Peter Selg(»Lebensweg und Krankheitsschicksal bei Rainer Maria Rilke«) und Dietrich von Engelhardt(»Sterben und Tod im Leben und Werk von Thomas Mann. Objektive Erscheinung – subjektives Erleben – soziale Reaktion – symbolischer Sinn«) legen ihr Hauptaugenmerk auf den Autor und dessen Lebensweg. Für Thomas Schindler war Goethes Leben sein eigentliches Kunstwerk; nur konsequent also, dass er sich vor allem mit diesem befasst und zur Beantwortung auf die Frage, welchen Einfluss existenzielle Grenzerfahrungen auf sein Werk ausübten, unterschiedslos fiktionale Texte, Briefe und Gedichte heranzieht. In Peter Selgs Beitrag wird keine wirkliche Trennung von Leben und Werk Rilkes vollzogen; seine Annäherung an den Gegenstand erfolgt aus der Sicht der medizinischen Anthropologie, fragt also, wie Rilke seine Leukämie-Erkrankung erlebte und(in seinem Werk) deutete. Die Grenzen, die einem solchen Ansatz, der Leben und Werk derart verschränkt, gesetzt sind, zeigen sich in Dietrich von Engelhardts Aufsatz über Thomas Mann, wenn er zu dem wenig überraschenden Fazit gelangt:»Sterben und Tod durchziehen Leben und Werk von Thomas Mann. Literatur, Realität und Medizin hängen auf vielfältige Weise zusammen und unterscheiden sich gleichermaßen.«(Bd. 2, S. 67) Ganz ohne Rückgriff auf Biographisches kommt Wolfgang Riedels instruktiver Aufsatz»Fausts Todesarten. Volksbuch – Goethe – Thomas Mann« aus, der die jeweiligen Faust-Bearbeitungen in ihren historischen Kontext stellt und herausarbeitet, welchen»jedesmal für die Hoffnungen und Ängste ihrer Zeit charakteristischen Tod« die Faustfigur stirbt. Im Unterschied dazu wäre Daniel Schäfers lesenswerter Beitrag(»›Sie sind ein Grübler über den Tod‹. Arthur Schnitzlers Sterben aus medizin
Heft
(2018) 106
Seite
149
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