Heft 
(2018) 106
Seite
151
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Seeba: Berliner Adressen  Winckler 151 ohne die Hinzuziehung der Umstände ihrer Entstehung nicht angemessen verstanden werden kann. In vielen Beiträgen wie auch im Vorwort kommt auch die Frage nach der Funktion der hier behandelten literarischen Texte über Sterben, Tod und Krankheit auf. Schöne Literatur, so lesen wir, kann sensibilisieren für Ster­ben und Tod(Bd. 1, S. 10), sie hilft beim Nachdenken und Grübeln über den Tod(Schäfer, Bd. 1, S. 245); für den Autor ist sie Therapie, Erlangung von symbolischer Immortalität(Müller-Busch, Bd. 2, S. 243) oder Bewältigung (ebd., S. 250). Die Vermittlung dieser Funktionen für die Leserinnen und Leser ist wiederum eine wichtige Leistung der beiden Sammelbände. Die Vielfältigkeit der hier versammelten Studien(von denen nicht alle berücksichtigt werden konnten) hinsichtlich ihrer Fragestellung, Methode, Erkenntnisabsicht und Ausrichtung ist trotz der auf den ersten Blick belie­big anmutenden Zusammenstellung ein Gewinn für die Sammelbände wenngleich man einigen der Beiträger folgenden Satz Dietrich von Engel­hardts ans Herz legen möchte:»Das Studium biographischer Hintergründe der literarischen Produktion ist berechtigt und wichtig, kann die Analyse der Werke aber nicht ersetzen und sollte mit ihr nicht verwechselt werden.« (Bd. 2, S. 68) Gleichwohl bieten die Sammelbände auch aus einem dezidiert literaturwissenschaftlichen Blickwinkel betrachtet einen entscheidenden Zugewinn für ein doch schier unüberschaubares Themengebiet. Leser an­derer Disziplinen ebenso wie interessierte Laien, die mit abweichenden Fragestellungen an die literarischen Texte herangehen, können andere Er­kenntnisse gewinnen und so fiele auch die Betrachtung der einzelnen Bei­träge verschieden aus. Debora Helmer Hinrich C. Seeba: Berliner Adressen. Soziale Topographie und urbaner Realismus bei Theodor Fontane, Paul Lindau, Max Kretzer und Georg Hermann. Berlin: de Gruyter 2018. 274 S. 68 Berlin wird 1871 zur deutschen Metropole, seine Bevölkerung steigt von 1849 bis 1914 im Zuge der Industrialisierung von 400 000 auf mehr als zwei Millionen Menschen. Das Stadtbild verändert sich: die traditionelle Mitte zwischen Schloss, Museumsinsel und Brandenburger Tor wird ausgebaut zum politischen, kulturellen und kommerziellen Zentrum der Hauptstadt, im Osten und Norden Berlins entstehen die neuen Industrien und unmittel­bar angrenzend proletarische Wohnviertel mit mehrstöckigen Mietskaser­nen und dunklen Hinterhöfen. Das neue Bürgertum vermögende Kaufleu­te, Industrielle und Bankiers ziehen aus der alten Mitte nach Westen in die Nähe des Potsdamer Platzes an den südlichen Rand des Tiergartens oder