160 Fontane Blätter 106 Rezensionen und Annotationen Kenner gelten kann, weil er seinerzeit über die poetologische Bedeutung des Romans L’Adultera promovierte. Er bemerkt, dass das komplexe und mehrdeutige Gesamtwerk Fontanes an Aktualität nichts verloren habe und deshalb vielleicht das polnische Publikum ansprechen könne. Fontane als Nachkomme religiöser Flüchtlinge aus Frankreich, die Zuflucht im Land der Hohenzollern gefunden haben, sei für die Perspektivenvielfalt immer besonders sensibel gewesen. Einerseits habe er enthusiastisch auf die subversiven Werke des jungen Gerhart Hauptmanns reagiert. Andererseits habe er das unikale und universelle Ethos des Preußentums hochgeschätzt und es mit Ironie und Distanz verteidigt. Allerdings habe er es konsequent den nationalen Vorurteilen entgegengesetzt, die er kritisiert habe. Das zeige sich in seinen Werken, wie etwa im Roman Der Stechlin – in der Konfrontation von Dubslav von Stechlin und seiner Schwester Adelheid. Fontanes Prosa sei äußerst subtil und bringe die Leserschaft zum Nachdenken – auch oder vielleicht insbesondere heutzutage, stellt Zeitz fest. Der Herausgeber des Bandes, Jan Pacholski, der über die Kriegskorrespondenz von Fontane promovierte und vor ein paar Jahren eine der ersten umfangreichen polnischen Monographien über ihn verfasste( Theodor Fontane: z apteki na Parnas, Wrocław: Quaestio 2014), schildert in der Einführung die Geschichte der polnischen Fontane-Rezeption. Nebenbei bemängelt er, dass der Autor in Polen im Vergleich zu Frankreich, Italien oder Großbritannien leider immer noch nur den engen germanistischen Kreisen bekannt sei, obwohl mehr als die Hälfte der Romane ins Polnische übersetzt wurde und sein Gesamtwerk durchaus viele Polen-Bezüge enthält. Als mögliche Gründe für diesen Sachverhalt nennt er die starke Konkurrenz seitens der französischen und russischen Romanciers des 19. Jahrhunderts sowie eine gewisse Fremde der preußisch-protestantischen Realien, in denen sich Fontanes Prosa abspielt. Den Band eröffnen zwei Beiträge, die eine Einleitung in das Leben und Werk Fontanes anbieten. Joanna Wołowska(Uniwersytet Wrocławski) setzt sich mit der Frage auseinander, warum Fontane heute für uns wichtig ist, und vermittelt Grundinformationen aus seiner Biographie, sich dabei hauptsächlich auf die Arbeiten von Helmuth Nürnberger und Theodor Pelster berufend. Sie unterstreicht dabei die Verknüpfungspunkte zu Polen, etwa die Kindheit in winouj cie, und betont, dass sich viele Ortschaften, in denen Fontane war oder von denen er schreibt, im heutigen Polen befinden, in Pommern oder Schlesien. Interessanterweise erwähnt sie, dass sowohl Thomas als auch Heinrich Mann Fontane hochgeschätzt haben. Die beiden Schriftsteller erfreuen sich in Polen großer Beliebtheit und vielleicht kann dieser Kontext dabei helfen, Fontane der polnischen Öffentlichkeit vorzustellen. Der Artikel von Anna Volk-Gawlica(Uniwersytet Wrocławski) gibt einen Überblick über das Werk von Fontane. Die Autorin fasst manche Romane kurz zusammen, hebt dabei die polnischen Motive hervor, zum
Heft
(2018) 106
Seite
160
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