Heft 
(2018) 106
Seite
162
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162 Fontane Blätter 106 Rezensionen und Annotationen Siegfried Sudhof, Walter Müller-Seidel, Marek Jaroszewski, Werner Rieck, Mirosław Ossowski und Roland Berbig, die sich allerdings meistens auf die Belletristik fokussieren. Niemirowski analysiert Fontanes Kommentare zu den Aufständen 1830/1831 und 1848, untersucht seine politische Ausrich­tung, als er in den 1860er Jahren in der Neuen Preußischen Zeitung( Kreuz­zeitung) arbeitete, und nimmt zum Schluss sein Verhältnis zu Otto von Bis­marck unter die Lupe. Er stellt fest, dass sich Fontane seit ca. 1850 negativ über polnische Unabhängigkeit äußere, obwohl er sich vorher teilweise als Polens Freund präsentiert habe. Der Aufsatz von Rudolf Muhs(Royal Hollo­way University of London) schlägt einen Vergleich vor: Der Autor beschäf­tigt sich mit der Asymmetrie in Fontanes Wahrnehmung von England und Polen sowie mit der Frage, wie diese die Rezeption seines Werks in beiden Ländern hätte beeinflussen können. Obwohl Fontane gewisse Anglophilie und Distanz zu Polen charakterisieren würden und er manchmal die Ste­reotype über Osten und Westen in seinem Schreiben bestätige, sei es für Muhs übertrieben zu sagen, dass Fontane konsequent eine negative Ein­stellung Polen gegenüber gehabt habe. Als Argument dafür führt er den Roman Mathilde Möhring an, der selten im Kontext der polnischen Motive besprochen wird. Seiner Meinung nach thematisiere das Werk mit der Fi­gur des Grafen Goschin die Sinn- und Ziellosigkeit der Germanisierung, deshalb könne es als Gegenprojekt zur antislawischen Haltung in Soll und Haben von Gustav Freytag gelesen werden. Der Aufsatz von Urszula Bonter(Uniwersytet Wrocławski) setzt sich mit der Frage auseinander, unter welchen Bedingungen Fontane seine Romane Unterm Birnbaum und Quitt in der Zeitschrift Die Gartenlaube Illustrier­tes Familienblatt veröffentlichen durfte und warum seine anderen Werke abgelehnt wurden. Die Autorin skizziert zunächst den geschichtlichen Kon­text und weist auf die Entwicklung des Verlagswesens und des Bücher­markts zu Fontane Lebzeiten hin. Sie nennt die Statistiken: Während 1851 circa 829 belletristische Publikationen gedruckt wurden, waren es im Jahre 1881 schon 1226. Die Standardauflagen betrugen ungefähr 800 Exemplare. Vor diesem Hintergrund entstand der Bereich der sogenannten Familien­blätter: In der Biedermeierzeit, nach der Niederlage der Revolution von 1848, boten diese Zeitschriften apolitische Unterhaltung für das deutsche Bürgertum an, das sich in das Private, in den Familienkult zurückzog. Eines der wichtigsten und erfolgreichsten Blätter war die 1853 von Ernst Keil in Leipzig gegründete Gartenlaube. Sie enthielt eine spezielle Rubrik für No­vellen und Erzählungen, in der häufig Romane in Fortsetzungen gedruckt wurden. Fontane veröffentlichte dort zwei von seinen Werken, die sich al­lerdings von der später gedruckten Buchform unterscheiden die Untersu­chung der Unterschiede war mittlerweile schon Gegenstand der Forschung, etwa in der Arbeit von Hans-Joachim Konieczny. Der neue Verleger der Gartenlaube Alfred Kröner wollte Bonter zufolge Fontane stärker als