Heft 
(2018) 106
Seite
163
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Theodor Fontane w wietle faktów i interpretacji  Hudzik 163 einen Repräsentanten der Heimatliteratur als einen genauen Kritiker seiner Zeit vorstellen, deshalb habe er seine Texte gekürzt, vereinfacht und trivia­lisiert. Mehr noch, er habe auch deswegen die Romane Cécile, Unwieder­bringlich, Effi Briest abgelehnt, da sie die Themen ansprechen, die im Fami­lienblatt tabuisiert worden seien. Barbara Widawska(Akademia Pomorska in Słupsk) setzt in ihrem Arti­kel die historische Kontextualisierung fort, aber aus einem anderen Blick­winkel. Sie untersucht Fontanes Epik als Medium des kulturellen Gedächt­nisses sowie als interpretatorische Inspirations- und Wissensquelle für die Geschichtsschreibung. Ihren Ausgangspunkt und allgemeinen Reflexions­rahmen bilden die theoretischen Arbeiten von Hayden White und Jerzy ­Topolski, die auf die Bedeutung der Literatur für die Geschichtswissen­schaft hinweisen. Erwähnt wird die Formulierung von Dietmar Storch, dass Fontane das Kompendium des Wissens über das 19. Jahrhundert sei. Widawska setzt sich mit der Frage auseinander, warum sich so viele Histo­riker wie Jürgen Osterhammel, Hans-Jürgen Bömelburg, Stanisław ­Salmonowicz, Gordon Alexander Craig oder Klaus Zernack in ihren Ar­beiten auf Fontane berufen und seine Werke als Zeugnisse, historische Do­kumente und Diagnosen gesellschaftlicher Stimmungen betrachten. Nicht nur historischer Wert wird Fontanes Romanen zugemessen. ­Marta Kopij-Weiß(Uniwersytet Wrocławski) analysiert deren philosophi­sche Aspekte und vergleicht Fontane mit Friedrich Nietzsche. Die deutsche Version ihres Artikels erschien im schon erwähnten Band Fontane und Po­len, Fontane in Polen. Die Zusammenstellung beider Autoren ist in der For­schungsliteratur bekannt: Fontane, 25 Jahre älter als Nietzsche, war Zeuge der ersten Rezeptionswelle seiner Schriften um 1890, die auf selektiver Aus­wahl mancher aussagestarken Begriffe und Formulierungen wie der Über­mensch, der Wille zur Macht, Gott ist tot oder jenseits von Gut und Böse basierte. Kopij-Weiß bemerkt, dass Fontane zwar ein distanzierter Beob­achter dieser Neuigkeiten gewesen sei, aber doch viele Überschneidungs­punkte mit dem Nietzscheanischen Denken habe. Beide lebten in derselben Zeit, reflektierten über dieselben historischen Ereignisse und registrierten die Entwicklung bzw. den Paradigmenwechsel, der sich im Laufe des 19. Jahrhunderts vollzog. Trotz der Unterschiede in der Persönlichkeit, Poetik und Radikalität des Schreibens kritisierten sie gleichermaßen so Kopij­Weiß den Historizismus sowie deutsche Kultur und Gesellschaft ihrer Zeit, vor allem die»Bildungsphilister«, und sahen die Notwendigkeit der Umwertung der Werte. Nach den Aufsätzen, die sich auf das Gesamtwerk Fontanes bezogen, folgen im Sammelband vier interessante Fallstudien seiner einzelnen Wer­ke. Aneta Mazur(Uniwersytet Opolski) bietet eine intermediale kompara­tistische Analyse des Romans Effi Briest an, in dem sie Korrespondenzen zum Gemälde Die Melancholie von Lucas Cranach dem Älteren sieht.