164 Fontane Blätter 106 Rezensionen und Annotationen Fontanes Beziehungen zur Malerei wurden bisher insbesondere im Kontext der biblischen Ikonographie erforscht(z.B. Monographie von PeterKlaus Schuster). Für Mazur sind jedoch gewisse Parallelen zu Cranachs malerischer Allegorie auffällig, etwa das Motiv der Schaukel und des Schaukelns sowie die Farbensymbolik. Beide Kunstwerke sind im strengen moralischen Weltanschauungskontext zu sehen und stellen die protestantische Ethik der Sündhaftigkeit der Sinne dar. Effi müsse, Mazur zufolge, dieselbe Entwicklung bzw. den tragischen Weg wie Cranachs weibliche Figur durchlaufen: von der sinnlichen Lust, symbolisiert im Gemälde u.a. durch das Rot, über die Erfahrung der Melancholie bis zur sozialen Verdammung und Tod, den der Maler mit Schwarz andeute. Dieselbe religiöse Tradition der eschatologischen Angst sei immer noch im modernen Roman lebendig, stellt Mazur fest. Sebastian Mro ek(Uniwersytet Pedagogiczny in Krakau) fokussiert sich auf die Kriminalgeschichte Unterm Birnbaum und ihre Beziehungen zu Trivialliteratur. Er verweist auf die sich Ende des 19. Jahrhunderts verbreitende Popularität der sogenannten Eisenbahnunterhaltungsliteratur und der Gerichtsgeschichten, die etwa in der Berliner Gerichts-Zeitung abgedruckt wurden und von bekannten Verbrechen handelten. Mro ek untersucht, wie sich Fontane»auf den Flirt« mit dem – nicht selten mit der»niedrigen Kultur« konnotierten – literarischen Genre des Krimis einlässt und wie er seine Konventionen hinterfragt. Bei der Analyse arbeitet Mro ek mit den Begriffen des Kitsches nach Hermann Broch sowie der Intrige nach Peter von Matt. Er erwähnt auch Kommentare über Fontane von Ernst Bloch, der sich generell mit Trivialität in den Kulturen beschäftigte. Sowohl mit Unterm Birnbaum als auch mit Stine setzt sich der Aufsatz von Rafał Biskup(Uniwersytet Wrocławski) auseinander. Biskup kommentiert die Übersetzungen der beiden Werke ins Polnische, konzentriert sich auf den Aspekt des Dialekts und analysiert seine Funktionen – u.a. auf die bekannte Monographie zu diesem Thema von Joachim Krause rekurrierend. Der Dialekt gelte, so Biskup, als eines der bedeutendsten Elemente der Poetik von Fontane und sei in den beiden Romanen besonders auffällig. Er beglaubige den sozialen Status der Figuren, verleihe das Lokalkolorit, unterstreiche die Atmosphäre der bestimmten Region bzw. der Provinz und diene als Kommunikationsmittel, um die Authentizität der beschriebenen Gefühle zu verstärken. Im Polnischen gehe er meistens verloren oder werde mit der Umgangssprache wiedergegeben. Der nächste Artikel von Julianna Redlich(Uniwersytet Wrocławski) analysiert die Gender-Problematik im Roman Irrungen, Wirrungen, der auch auf Polnisch vorliegt. Die Autorin bedient sich der Kategorien der Natürlichkeit und Künstlichkeit, die ihrer Meinung nach mehrdeutig sind und sich auf die allgemeine Charakteristik der preußischen Gesellschaft
Heft
(2018) 106
Seite
164
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