18 Fontane Blätter 107 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes »Sehr gut; aber schlimm für Ibsen.« Otto Brahms Essay über Henrik Ibsen in Fontanes Handbibliothek Klaus-Peter Möller Eine besonders glückliche Erwerbung gelang dem Theodor-Fontane-Archiv durch den Ankauf des Exemplars von Otto Brahms Essay über Henrik Ibsen, das Theodor Fontane durchgearbeitet und mit Anstreichungen und Randbemerkungen versehen hat. Dieses unscheinbare Heft, 1887 im Berliner Verlag Freund und Jeckel(Carl Freund) erschienen, gerade einmal 71 Seiten stark, auf schlechtem Papier gedruckt, broschiert, schon etwas lädiert und am Rücken provisorisch durch einen Papierstreifen zusammengehalten, dürfte eines der interessantesten Dokumente der IbsenRezeption in Deutschland sein. Ungewöhnlich dicht sind in diesem Heft persönliche, zeitgeschichtliche und literaturhistorische Problematik miteinander verwoben. Henrik Ibsen(1828–1906) war einer der größten Aufreger der Gesellschaft des fin de siècle in Europa. Für die offizielle Kulturpolitik des Wilhelminismus lag sein Werk weitgehend im Bereich des Unzulässigen und Verbotenen. Der 1865 in Hamburg geborene Otto Brahm, damals noch Theaterkritiker, entwickelte sich zu einem der wichtigsten Protagonisten der Ibsen-Rezeption in Deutschland. In diesem Essay formulierte er sein Bekenntnis zum Naturalismus, unmittelbar vor seinem Einstieg in die Theaterpraxis als Vorsitzender des Vereins Freie Bühne, der am 5. April 1889 gegründet wurde und am 29. September 1889 sein erstes Stück zur Aufführung brachte, Ibsens Gespenster. Fontane, seit 1870 als Theaterkritiker für die Vossische Zeitung tätig, galt damals als eine Instanz im Kulturleben der Hauptstadt. Er verfolgte die Vorgänge rund um die Freie Bühne aufmerksam und mit wohlwollender Distanziertheit. Später wurde er von seiner Zeitung auch mit dem Referat über die Aufführungen des Vereins Freie Bühne beauftragt. Am 29. April 1890 schrieb er in einem Brief an Georg Friedlaender:»Ich[…] finde die Jugend hat Recht.« 1 Fontanes Anstreichungen und Randbemerkungen in Brahms Ibsen-Essay dokumentieren einen privaten Lektüreeindruck zu einem Zeitpunkt, an dem Fontane selbst sich in die Debatte um Ibsen einmischte, mit einem
Heft
(2019) 107
Seite
18
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