Heft 
(2019) 107
Seite
91
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Macht endlich den Fontane! Erler/ Trilcke 91 PT: Ein Fontane-Forscher, erwachsen aus dem ›Geist der Goethezeit‹ GE: Oder sogar aus dem Geist des achtzehnten Jahrhunderts. Mein, man könnte sagen, Gesellenstück für den Aufbau-Verlag, für den ich seit 1956 freischaffend tätig war, war die Neuherausgabe von Hermann Hettners ­ Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts. Danach habe ich drei Jahre an der Heinrich Heine-Ausgabe von Hans Kaufmann mitgearbeitet. 1964 bestand dann die Möglichkeit, fest bei Aufbau angestellt zu werden, wobei ich zunächst nach Weimar ging, wo ich auf zwei andere Fontane­Enthusiasten traf: Peter Goldammer, Anita Golz; und Jürgen Jahn war in Berlin von Anfang an der Vierte im Bunde. Wir haben dann zusammen das Jubiläumsjahr 1969 in den Blick genommen, Jubiläen werden in Diktaturen ja besonders gefeiert, PT: nicht nur in Diktaturen GE: und sind ganz systematisch vorgegangen, um die Ausgabe 1969 pu­blizieren zu können: Jeder hat seinen Teil bekommen, ich hatte den Löwen­anteil erwischt. Ich saß dann wochentags in Weimar fern von der Familie, die in Berlin war und habe in einer fürchterlich kleinen Bude die Texte konstituiert und kollationiert, die Anmerkungen geschrieben und derglei­chen. Wir wollten mit der Ausgabe(da war Peter Goldammer die treibende Kraft) Fontanes Texte erstmals als Texte wirklich ernst nehmen, also als philologisches Objekt, in ihrer historischen Gestalt. Das war das eine. Das andere war all das interessante Material zur Entstehungsgeschichte, all die Anregungen, die Fontane aufgenommen und verarbeitet hatte. Da hatten wir ja nicht zuletzt dank Joachim Schobeß nun großartige Möglichkeiten im Fontane-Archiv. Hinzu kam Hans-Heinrich Reuter, der schon seit Ende der 1950er Jahre an seiner großen Biographie arbeitete und der immer wie­der darauf hinwies, wie wichtig es sei, die Briefe Fontanes im Original zu konsultieren. Da kam also Vieles zusammen, was wir gründlich erarbeiten mussten. Ein besonders markantes Resultat unserer Recherchen war der erste vollständige Abdruck von Mathilde Möhring, den ich nach der Hand­schrift vorbereitet hatte. PT: Die Ergebnisse Ihrer editorischen Intentionen fanden 1969 viel Auf­merksamkeit. Wir sind vorhin einige der Zeitungsartikel von damals durch­gegangen; Sie und Ihre Kollegen vom Aufbau-Verlag sind in der DDR-Pres­se des Jahres 1969 sehr gefragt. Und was mir besonders aufgefallen ist: Es ist ein sehr modernes Fontane-Bild, das da in der Presse gezeichnet wird. GE: Ach, das Meiste haben wir bei Thomas Mann abgeschrieben( lacht) PT: Keine schlechte Adresse. Ebenfalls überrascht hat mich, wie interna­tional die Fontane-Konferenz 1969 war, Gäste aus London, Paris, Lyon, na­türlich aus Westdeutschland sind damals angereist. GE: Ja. Bei all dem Abschottungsverhalten der DDR-Führung»Wir ma­chen das ja alles alleine und wir machen das viel besser« war das schon eine sehr internationale Angelegenheit. Das war auch ein Meisterstück