Macht endlich den Fontane! Erler/ Trilcke 93 sprach sich herum, dass man das bei Fontane nachlesen kann. Das hat auch zu dem großen Erfolg der Wanderungen-Ausgaben geführt. Wir haben dann bei allen Nachauflagen grundsätzlich 20.000 Exemplare gedruckt. Aber selbst das reichte nicht. PT: Das hört sich so an, als wäre das Eis in den siebziger Jahren gänzlich gebrochen. Gab es danach noch Probleme, Fontane in der DDR zu publizieren? GE: Ja, das Eis war gebrochen. Wir hatten zwar immer die Befürchtung, dass Zensoren im Ministerium für Kultur mal eine Stellendiskussion um den Stechlin beginnen würden – Sie kennen die berühmte Stelle, 29. Kapitel:»Sich abschließen heißt sich einmauern, und sich einmauern ist Tod.« Doch es kam nichts. Und der Verlag erhielt problemlos auch die Druckgenehmigung für den Briefwechsel mit der Familie Merckel, obwohl die Freundschaft mit dem arg konservativen Wilhelm von Merckel – Verfasser des achtundvierziger Spruchs»Gegen Demokraten helfen nur Soldaten« – nicht recht ins inzwischen etablierte Fontane-Bild zu passen schien. In anderen Bereichen gab es auch eine Art Selbstzensur. Ich denke an die Redaktion der Fontane Blätter, wo man bestimmte Sachen eben nicht angepackt hat, etwa die schlesischen Tagebuchnotizen, in denen sich Fontanes antisemitische Vorurteile zeigen. Da hat man gar nicht erst versucht, das zu veröffentlichen. PT: Wobei die antisemitischen Aspekte in Fontanes Tagebüchern und Briefen auch in Westdeutschland lange Zeit nicht thematisiert wurden. GE: Ja, das änderte sich insgesamt erst in den neunziger Jahren. PT: … in denen sich Fontane-Forschung und-Edition, nun gesamtdeutsch, ohnehin noch einmal neu aufstellten. Und Sie machten sich bei Aufbau daran, die Große Brandenburger Ausgabe herauszugeben. GE: Ja, und wir begannen zum einen mit den Wanderungen, zum anderen mit den Tagebüchern, die wir zuvor nicht publizieren konnten. Die Tagebücher stammen ja aus dem Eigentum von Paul Wallich, der 1938 – er war jüdischer Abstammung – Suizid beging. Sie waren im Archiv zunächst nur deponiert und als jüdisches Eigentum für die normale Benutzung gesperrt. Erst nach der Wiedervereinigung konnten die Tagebücher vom Archiv erworben werden, womit der Weg für eine Veröffentlichung frei war. PT: Gab es schon länger Planungen für das Projekt ›Große Brandenburger Ausgabe‹? GE: Es gab vor allem schon lange Pläne, die Tagebücher zu veröffentlichen, wenn dies denn möglich werden sollte. In den Gesprächen mit Charlotte Jolles und Manfred Horlitz waren wir aber auch wiederholt auf den Punkt gekommen, dass da drei Fontane-Ausgaben mehr oder weniger als Fragmente herumstehen: relativ komplett, aber in vielerlei Hinsicht problematisch, die Nymphenburger Ausgabe; die Hanser-Ausgabe wuchs vor sich
Heft
(2019) 107
Seite
93
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