Digitale Dienste des Theodor-Fontane-Archivs Trilcke 99 Und man muss das Archiv physisch ansteuern, sich zu ihm begeben, was zumeist heißt, sich auf die Reise zu machen. All das mag aus institutioneller Sicht und in Hinblick auf den Schutz der Objekte durchaus sinnvoll und notwendig sein. Es führt allerdings dazu, dass Archive immer wieder Nutzerinnen und Nutzer ausgrenzen, weil die Barrieren, die sie als Einrichtungen aufbauen müssen, für die eine oder den anderen zu unüberwindbaren Hürden werden: Nicht jede, nicht jeder kann ohne Weiteres eine Reise etwa ins Theodor-Fontane-Archiv antreten. Die Digitalisierung kann hier Zugang erweitern, mitunter allererst eröffnen: Wo Handschriften, Bücher, Texte oder Daten im Netz bereitgestellt werden, schwinden die Barrieren, weiten sich die Kreise derjenigen, die an jenem kulturellen Erbe, das im Archiv bewahrt wird, teilhaben können. – Darüber hinaus hat der Aufstieg der digitalen, insbesondere der sozialen Medien eine neue Dynamik auch in die Art und Weise gebracht, wie Archive mit den Öffentlichkeiten des digitalen Zeitalters kommunizieren: Sich zu öffnen, ist heute leichter denn je; der Öffentlichkeit zu zeigen, was ein Archiv bewahrt und was in einem Archiv geschieht, ist heute denkbar einfach. Diese Öffnung der kulturellen Gedächtnisinstitutionen wie die damit verbundene Einladung zur Partizipation am Archiv ist eine weitere Chance der Digitalisierung. 2 Zugleich ergeben sich mit der Digitalisierung auch neue Verpflichtungen für Archive. Zu beobachten sind derzeit hochambivalente Bestrebungen von ökonomischen Akteuren, die digitale Präsentation des kulturellen Erbes zu übernehmen. Der Google-Konzern etwa hat – für öffentliche Institutionen nahezu unvorstellbar – große Summen in den Aufbau von Plattformen wie Google Books oder Google Arts& Culture investiert, Plattformen, deren Versprechen in der eben skizzierten allgemeinen Teilhabe am kulturellen Erbe besteht. So einnehmend diese Angebote auf der einen Seite sind und so altruistisch sie wirken, das Versprechen auf Teilhabe, das sie geben, ist genuin unzuverlässig: Es setzt zwar heute auf Offenheit; nichts aber garantiert, dass der ökonomische Akteur Google nicht irgendwann die Entscheidung trifft, den Zugang zu beschränken, das Angebot einzustellen, die Spielregeln der Teilhabe zu ändern. Der privatwirtschaftlichen, den unberechenbaren Geistern des Plattformkapitalismus verschriebenen Digitalisierung und damit der digitalen Ökonomisierung des kulturellen Gedächtnisses etwas entgegenzusetzen, das von der öffentlichen Hand getragen und von der Idee nachhaltiger Teilhabe geprägt ist: Das ist Verpflichtung aller öffentlichen Einrichtungen. – Hinzu kommt eine in den Weiten des Internets noch an Bedeutung gewinnende Rolle von Archiven, die sich stets auch als ›Hüter von Metadaten‹ verstehen, als Einrichtungen also, die auf der Grundlage von Expertise und nach klaren Regeln die Objekte des kulturellen Erbes erschließen und beschreiben. Schon nach wenigen Blicken in Datenbanken wie Google Books, aber auch dem gemeinnützigen Internet Archiv, wird deutlich, dass die Pflege von solchen
Heft
(2019) 107
Seite
99
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten