Heft 
(2019) 107
Seite
106
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106 Fontane Blätter 107 Labor Die Ausgangsfragen, die dabei von Seiten eines Forscherteams des Theo­dor-Fontane-Archivs an die Sammlung gerichtet wurden, waren ebenso zahlreich wie vielfältig: Was liest Theodor Fontane? Und wie liest er? Kann man Fontane als Nutzer seiner Bibliothek charakterisieren? Lassen sich au­torspezifische Lesemuster in Fontanes Büchern erkennen? Welche Bücher hat Fontane mit umfangreichen Anmerkungen versehen? Lässt sich ein Zusammenhang zwischen Textgenre und Lektürespuren feststellen? Ist die Anzahl der Lektürespuren abhängig von der Textsorte? Liest Fontane Goe­the womöglich intensiver als Schiller? Welche Bände weisen nur wenige oder gar keine Marginalien auf? Welche Typen von Margina­lien treten dem­gegenüber gehäuft auf? Fließen Fontanes Bemerkungen, die er zum Beispiel in den Werken Willibald Alexis´ und Gustav Freytags notiert, in seine Re­zensionen der Werke der beiden Autoren ein? Handelt es sich bei den Bän­den in Fontanes Bibliothek womöglich um die durch die Verleger bereitge­stellten Rezensionsexemplare? Und präsentiert sich Fontane als genauso kritischer Leser sowohl eigener wie auch fremder Werke? Zur Beantwortung dieser verschiedenen Forschungsfragen wurde eine Methode gewählt, die ihren Ursprung in gestaltungsorientierten Ansätzen zur Visualisierung kultureller Sammlungen findet, wie sie in Deutschland in den letzten Jahren in erster Linie durch das Urban Complexity Lab der Fachhochschule Potsdam(UCLab FH Potsdam) vertreten werden. 5 Ziel war die Entwicklung eines digitalen Prototyps zur neuartigen visuellen Annäherung an Autorenbibliotheken in Verbindung mit den in ihnen be­zeugten Lektürespuren. In einem Kooperationsprojekt zwischen dem ­Theo­dor-Fontane-Archiv und dem UCLab der Fachhochschule Potsdam wurde über den Zeitraum eines knappen Jahres hinweg(Mai 2018 Mai 2019) eine Visualisierung von Theodor Fontanes Handbibliothek erarbei­tet, die sich unter der Webadresse https://uclab.fh-potsdam.de/ff einsehen, ausprobieren und benutzen lässt. Im Folgenden werden die Sammlung ›Theodor Fontanes Handbiblio­thek‹, ihre Geschichte und ihre Zusammensetzung skizziert, werden grund­sätzliche Fragen zur Erschließung von Autorenbibliotheken berührt, wer­den der Digitalisierungs- und Datenerschließungsvorgang am Theodor­Fontane-Archiv beschrieben und das gemeinschaftliche Forschungspro­jekt mit dem UCLab der Fachhochschule Potsdam, die Grundideen des Pro­totypen zur Visualisierung des Handbibliotheksbestandes, sowie die Funk­tion und Gestalt des Prototypen erläutert. Erste Auswertungsversuche schließen sich daran an.