Herausforderungen des Realismus Hehle 167 Ulrike Vedder die Zweiteilung als beherrschendes Erzählmuster von Frau Jenny Treibel und den Modus des Unterscheidens sowie die Verdichtung durch Synchronie als Erzählprinzipien Fontanes untersucht. Eva Geulen befasst sich unter dem Titel Realismus ohne Entsagung mit L’Adultera, Samuel Frederick widmet sich Mobiliar sowie optischen Geräten und ihrer sozialen Funktion in Mathilde Möhring. »Aus dem Nirgendwo kommende Lichtstrahlen, die einer Person oder einem Gegenstand ›Bedeutung‹ verleihen, eine Aura geben oder den Sinn einer ganzen Szene erhellen sollen«(S. 26) analysiert Gerhard Neumann unter dem aparten Titel Vor dem Sturm. Fontanes diaphaner Realismus. Er arbeitet insbesondere zwei erzählstrukturelle Elemente in Fontanes Romandebüt heraus, das»Medaillon« – die Vorstellung einer neu auftretenden Figur in Form einer sozial-individuellen Miniatur(S. 33) – und das »spot light«, die pointierte Hervorhebung des Individuellen durch den Blick, die zu jener»Erleuchtung ›von oben‹«,»aus dem Nirgendwo« führe (S. 33 f). Eric Downing untersucht»Sprachmagie, Stimmung und Geselligkeit« im Stechlin im Rückgriff auf Konzepte der Geselligkeit(Georg Simmel) und der Stimmung, wobei er Leo Spitzers historische Herleitung des Stimmungsbegriffs aus der antiken Vorstellung der alles verbindenden sympatheia in Bezug zu den»geheimnisvollen Weltbeziehungen« des Stechlinsees und zum geselligen Gespräch an Dubslavs Tisch setzt. Die gelungensten Aufsätze des Bandes greifen die neuere Forschung in produktiver Weise auf, besonders die innovativen Ansätze Gerhart von Graevenitz’. In anderen Fällen vermisst der Leser jedoch einen Dialog mit der einschlägigen Forschung. So wird etwa im Aufsatz von Sean Franzel zur Vanitas-Motivik und Zeitdarstellung in Schach von Wuthenow das 14. Kapitel der Novelle besprochen, als existierte dazu keine Forschungsgeschichte und als gäbe es grundlegende Beiträge wie etwa jenen von Hans Rudolf Vaget( Schach in Wuthenow, 1969) nicht. Ebenso befremdlich und dem Ergebnis nicht zuträglich ist es, dass der Aufsatz von Anette Schwarz zu Cécile mit dem Titel Die Verortung einer Leerstelle, die Überlegungen etwa von Horst Thomé ignoriert. Selbst in dem wohlinformierten Beitrag von Christian Begemann zu Effi Briest fehlt eine Bezugnahme auf die Monografie von Thomé( Autonomes Ich und ›Inneres Ausland‹, 1993), obwohl der freudsche Begriff des Inneren Auslandes mehrfach Verwendung findet, und auch den Ausführungen von Eric Downing zu Sprache und Stimmung im Stechlin hätte eine Auseinandersetzung mit dem Klassiker von Ingrid Mittenzwei( Die Sprache als Thema, 1970), den Überlegungen von Barbara Naumann( Schwatzhaftigkeit, 2000) oder Hans Ulrich Gumbrechts Konzept eines»stimmungsorientierten Lesens«( Stimmungen lesen, 2011) nicht geschadet. An solchen Stellen ist zu bedauern, dass die Möglichkeit
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(2019) 107
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167
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