Heft 
(2019) 107
Seite
168
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168 Fontane Blätter 107 Rezensionen und Annotationen verschenkt wurde, Forschungsbeiträge miteinander kommunizieren und aufeinander aufbauen zu lassen. So reflektiert der Band zwar die Realismusdiskussion der Gegenwart und bietet zahlreiche»spot lights« auf die theoretischen Konzepte, die der­zeit in der Analyse von Fontanes Gesellschaftsromanen bevorzugt Ver­wendung finden, doch die Ergebnisse fügen sich nicht zu einem abgerun­deten, gut ausgeleuchteten Bild zusammen, und auch der Forschungsstand zu den einzelnen Erzähltexten wird durchaus nicht in allen Fällen erwei­tert. Die Herausforderungen des Realismus bleiben mithin bestehen. Christine Hehle Carmen aus der Au: Theodor Fontane als Kunstkritiker Berlin, Boston: de Gruyter 2017. 446 S. (Schriften der Theodor Fontane Gesellschaft) 99,95 Zu den prägenden Erlebnissen des jungen Theodor Fontane gehörte nach eigener Aussage die Lektüre oder besser das Anschauen der Neuruppiner Bilderbögen von Gustav Kühn. In Von Zwanzig bis Dreißig hat der Dichter geschildert, wie ihm die guckkastenbilderartigen Darstellungen eine eige­ne Welt vor Augen zauberten, bevor sie schließlich vom noch spannenderen Medium der Zeitung und vom Feuilleton abgelöst wurden. Im Spannungs­feld von Kunst und Feuilleton bewegte sich Fontane, dessen Jahrhundert eine wahre Flut an Bildern und neue visuelle Medien wie Fotografie, Litho­grafie, Panorama oder Diorama hervorbrachte, bekanntlich weiter. Das Be­trachten von Bildern, die Beschäftigung mit Gemälden und Denkmälern, der Austausch mit Künstlern und Kunsthistorikern, die Auseinanderset­zung mit kunsttheoretischen Debatten und der Rückgriff auf ekphrastische Verfahren prägten sowohl sein journalistisches als auch sein erzählerisches Schaffen. Die zum 100. Todestag im Jahr 1998 in Berlin veranstaltete Aus­stellung Fontane und die Bildende Kunst wollte Fontane sogar ausdrücklich als»Augenmenschen« verstanden wissen, der in Bildern denke und fühle. Vor einiger Zeit hat Florian Illies in seinen mit Gerade war der Himmel noch blau betitelten Texten zur Kunst(2017) freilich zur Mäßigung aufgeru­fen und den»Augenmenschen« Fontane als pure Erfindung deklariert. Tat­sächlich seien Fontanes Beiträge für die»Kunstwelt kein aufwühlendes Er­lebnis«(Illies, S. 240) gewesen. Fontanes»Assoziationsebene« sei»nie eine künstlerische«, sondern»immer eine literarische«(ebd. S. 242) geblieben. In den Präraffaeliten hätte der in den 1850er Jahren in England als Korrespon­dent tätige Fontane nur Adalbert Stifter gesehen und im Falle von David Wilkie habe es lediglich zu einer Charakterisierung als»Walter Scott der Palette«(ebd.) gereicht. Auch William Turner, dessen Entdeckung für den deutschsprachigen Raum man bislang immer mit Fontane in Verbindung