Heft 
(2019) 107
Seite
170
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170 Fontane Blätter 107 Rezensionen und Annotationen keiner Stelle im Dickicht Fontanescher Bilderwelten, sondern arbeitet konse­quent und anschaulich Merkmale, Maßstäbe, Besonderheiten und Schwer­punkte der kunstkritischen Arbeiten heraus. Dafür muss sie unweigerlich herauslösen, isolieren, fragmentieren und entscheiden, was für ihre Arbeit relevant ist und was nicht. Das dürfte alles andere als einfach gewesen sein, zumal die Grenzen oft fließend sind. Was im Falle der Wanderungen gut funktioniert, erweist sich für die Romane als durchaus komplex. Das Gran­seer Luisen-Denkmal, die zahlreichen Klosterkirchen oder die Gemäldes­ammlungen von Radensleben und Liebenberg behaupten einen Anspruch auf Eigenständigkeit und können aus dem narrativen Gesamtumfeld her­ausgelöst betrachtet werden. Im Falle von Böcklins Insel der Seligen oder dem Besuch der Münchner Pinakothek in Effi Briest wird es allerdings (S. 116) schwieriger. Dennoch funktioniert Aus der Aus Ansatz erstaunlich gut, auch weil sie diese für Fontane typischen Phänomene ausdrücklich als »Bildzitate«(ebd.) in den Blick nimmt und zugleich Parallelen, etwa zwi­schen dem Italienbild der Romane und persönlichen Äußerungen in Brie­fen, Notiz- und Tagebüchern, herstellt. Die Arbeit überzeugt nicht zuletzt dadurch, dass sie die Ausführungen durchgängig im zeitgenössischen Kontext und Diskurs versteht und analy­siert und doch das für Fontane Charakteristische nicht aus dem Blick ver­liert. Hier werden keine vermeintlichen Parallelen künstlich herbeizitiert, sondern aus der Arbeit am Text heraus Zusammenhänge erschlossen. Bei­spielsweise setzt die Verfasserin für die Entstehung und Etablierung der Kunstkritik konstitutive Erscheinungen wie die Pariser Salons in Bezug zu Fontane und fokussiert doch zugleich die»deutliche Publikumsorientie­rung«(S. 31, auch S. 252) seiner Berichte, etwa im Falle der Kunstausstellun­gen in Gent, Manchester und Berlin. Exklusiv, eigen und vor allem nachhal­tig erscheinen dabei nicht nur Fontanes(Be)Schreib-, sondern auch seine Inventarisierungspraktiken. Letztere sind zum Teil von großer Bedeutung, da sie nach zwei Weltkriegen und vierzig Jahren deutscher Teilung nicht selten die einzige Quelle für einmal Dagewesenes, ohne Fontanes Verzeich­nisse wohl längst Vergessenes gelten können. Auch wenn Fontane in den Wanderungen zumeist mehr Interesse an den»märkischen Gutsbesitzer(n) und deren Familiengeschichten«(S. 99) als an deren Kunst- und Sammelob­jekten zeigte, sind diese Bestandsaufnahmen für seine kunstkritischen Ar­beiten durchaus aufschlussreich. So kann Aus der Au nachweisen, dass die »Auseinandersetzung mit italienischen Künstlern nicht allein auf die beiden Italienreisen beschränkt«(ebd.) war. Skizziert werden in diesem Kontext auch Arbeitsweisen wie die umfangreichen Recherchen und das Heranzie­hen von Originalquellen für die Künstlerbiographien, die sich in den Wan­derungen(z.B. zu Schinkel und Wilhelm Gentz) oder separat überliefert ( Blechen-Fragment) finden.