Heft 
(2019) 107
Seite
171
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Aus der Au: Fontane als Kunstkritiker  Kittelmann 171 Zugleich zeigt Aus der Au Leerstellen auf. Unter anderem in Bezug auf ­Fontanes Museumsbeschreibungen, die zwar die verschiedene Ausrich­tung von Museen(etwa das Thorwaldsen-Museum) thematisieren, das Mu­seum als Institution oder Ort(S. 32) allerdings außenvorlassen. Als spärlich erweisen sich ebenfalls Fontanes Beiträge zur Bildhauerei und zur Skulp­tur, die er selbst in einem Beitrag über die Berliner Kunstausstellung im Jahr 1862 als»Aschenbrödel der Kunst«(S. 59) bezeichnete. Aus der Au weiß dem Sujet dennoch etwas abzugewinnen, indem sie Fontanes Bemer­kungen zu den öffentlichen Standbildern in London und deren von ihm be­klagtes Fehlen in Berlin als aufschlussreich für den»Aspekt von Kunst im öffentlichen Raum« sowie für die»Verbindung von Kunst und Gesellschaft« (ebd.) beschreibt. Überhaupt wird hier vieles hinterfragt, abgewogen und präzisiert, was bislang, da vom Dichter und Journalisten Fontane selbst so formuliert, als verbindlich galt. Fontanes Statement, dass die Würdigung der märkischen Kulturlandschaft»ohne jegliche Prätension von Forschung, Gelehrsam­keit, historischem Apparat etc.«(S. 96) ablaufen sollte, relativiert die Auto­rin dahingehend, dass sich Fontane der Instrumente zur Erlangung wis­senschaftlicher Befunde(ebd.) und relevanter Terminologien durchaus bewusst war und seine weniger auf»exakte Gegenstandsbeschreibung« (ebd.) als auf die Vermittlung von Hintergrundinformationen setzenden Ausführungen gar nicht so weit weg von den frühen, heimatliche Bauwer­ke in den Blick nehmenden Schriften der mit ihm bestens bekannten Kunsthistoriker Wilhelm Lübke und Franz Kugler situiert sind. Wie für die ­ Wanderungen diagnostiziert Aus der Au auch für die Kunstkritiken»das Changieren zwischen Plauderton, fundierter Wissensvermittlung und gleich­zeitiger Negation eines wissenschaftlichen Anspruchs«(ebd.) als ­Grundsound und verortet diese zugleich in einem weiteren Abschnitt (S. 120–154) im Publikationskontext des Feuilletons. Der Frage, inwiefern nicht nur Publikationsort und Entstehungszu­sammenhang, sondern auch»personale, institutionelle und mediale Kon­texte«(S. 155–262) für Fontanes kunstkritische Arbeiten relevant waren, geht der zweite Teil der Studie nach. Eindrücklich wird hier aufgefächert, wie entscheidend Fontanes Kunsturteil von»verschiedenen Personen sei­nes Berliner Umfeldes«(S. 155), von den Vereinen Tunnel, Rütli und Ellora, aber auch von den Urteilen anderer Kritiker wie Gustav Friedrich Waagen (den Fontane in England persönlich traf), Titus Ulrich, Jacob Burckhardt oder John Ruskin(S. 192–211) geprägt wurde. Fontane griff Aus der Au zufolge durchaus gern auf kunsthistorische Autoritäten zurück, um seine eigenen Kunsturteile zu legitimieren(S. 197) und nahm die»Herausbil­dung der Kunstgeschichte als universitäre Disziplin«(S. 169–191), an der bekannte Vertreter der Berliner Schule wie Karl Schnaase, Franz Kugler