190 Fontane Blätter 107 Informationen Hinblick auf gemeinschaftliche Sammlungs- und Bearbeitungspraktiken definierte und analysierte Anke Jaspers Autorenbibliotheken als»Medien der Inszenierung von Autorschaft«. Dabei hob sie die Funktion von Thomas Manns Bibliothek als Repräsentationsbibliothek hervor, an der andere Personen und/oder seine Familie mitgewirkt haben. Manuel Bamert(Zürich) wandte sich in seinem Vortrag»Gedrucktes annotieren. Textzentrierte Erklärungsansätze zur Entstehung von Lesespuren« der Frage nach dem Verhältnis von Textgenre und Lesespuren zu, um Lektürepraktiken besser nachvollziehen zu können. Dabei erweise sich grundsätzlich eine Untersuchung des gesamten Lesespuren enthaltenen Bestandes als unerlässlich, um auf der Makroebene spezifische Muster ausfindig zu machen. In Anbetracht charakteristischer Verteilungsmuster konnte Bamert für Thomas Manns Bibliothek feststellen, dass zwischen Textsorten und der Häufigkeit von Lektürespuren eine starke Korrelation besteht, die Auskunft darüber gebe, als was und wie etwas gelesen wurde. Dabei können formale Kriterien wie der Satzspiegel wichtige Einflussfaktoren auf Schriftspuren darstellen, wobei ungleiche Verteilungsmuster bereits auf Buchebene sichtbar werden. Insbesondere in Verbindung mit einer nichtprojektorientierten Lektüre verwies Bamert auf die vom Autor bzw. von einer lesenden Person losgelösten Lesespuren, die auf einen komplexeren Entstehungskontext verweisen. Die Tagung widmete sich zudem methodischen Fragen wie der Erfassung von exemplarspezifischen Merkmalen und diskutierte die damit einhergehenden institutionellen, finanziellen, technischen und inhaltlichen Herausforderungen sowie Lösungsansätze. Im Zusammenhang damit sei auf den Vortrag»Produktive Lektüre. Thomas Manns Nachlassbibliothek« von Katrin Keller und Michael Ehrismann(Zürich) verwiesen, in dem Keller den praktischen Teil des gleichnamigen Nationalfondsprojektes erläuterte. Das Hauptziel bestehe dabei darin, die erschlossenen Lesespuren über eine Weboberfläche zur Anzeige und Auswertung zugänglich zu machen. Hierbei soll mit dem Zugriff auf Lesespuren über ein Recherche- und Präsentationstool im Thomas-Mann-Archiv(TMA) die Möglichkeit gegeben werden, den gesamten Bestand nach Lesespuren mit entsprechenden Attributen zu durchsuchen und zugleich auf Kombination der Phänomene basierende Suchanfragen zu stellen. Zu diesem Zweck finde derzeit in einem hierfür entwickelten XML-Editor die Erfassung sämtlicher in der Bibliothek enthaltener Marginalien, An-, Unterstreichungen und Markierungen statt. Keller verwies auf die damit einhergehenden Herausforderungen, etwa auf den Mangel an Erfahrung im Umgang mit Lesespuren enthaltenden Büchern oder auf Einschränkungen durch Urheberrechte. Schließlich hob Keller grundsätzlich die Bedeutung der digitalen Präsentation, wie sie im Rahmen des Nationalfondsprojektes»Produktive Lektüre« erfolgen soll, hervor, da auf diese Weise eine zuvor kaum zugängliche Datengrundlage zur Verfügung gestellt werde, aufgrund derer neue Forschungsfragen formuliert werden können. Das bereits eingangs genannte Kooperationsprojekt zwischen dem TheodorFontane-Archiv und der Fachhochschule Potsdam zur digitalen Präsentation von Theodor Fontanes Handbibliothek wurde von Anna Busch und Mark-Jan Bludau (Potsdam) im Beitrag»Fontane visualisieren« vorgestellt. Dabei wurde der über 150 Bände umfassende Bestand der Handbibliothek Fontanes sowie einige Beispiele für unterschiedliche Typen von Schriftspuren aus der Sammlung präsentiert, welche die Grundlage für die durch das Theodor-Fontane-Archiv
Heft
(2019) 107
Seite
190
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