Heft 
(2019) 108
Seite
8
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8 Fontane Blätter 108 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes »Ich kann den Tag nicht wie jeden andern vorübergehn lassen« 1 Georg Wolpert » wie konnte ich denken, daß mein Geburtstag ein ›historischer Tag‹ sei« 2 Die Sonne war schon um vier Uhr untergegangen an jenem Wintertag in der kleinen märkischen Stadt am See. Und der eben über den Horizont gestiege­ne fast volle Mond am nächsten Tag sollte Vollmond sein blitzte nur ab und zu durch die über einen trüben Winterhimmel dunkel dahinziehenden Wolken. Um fünf Uhr war es dann schon ganz Nacht geworden über Neu­Ruppin 3 an diesem vorletzten Tag des Jahres 1819. Nur der Schnee auf den Dächern leuchtete manchmal ein wenig auf, wenn das Mondlicht durch die Wolken brach. Rauch stieg auf aus den Schornsteinen, denn nach mehrtägi­gem Tauwetter war es wieder kalt geworden. Das Thermometer zeigte Frost an(-5° C). 4 In dieser Spätnachmittagsstunde»zwischen 4 und 5 Uhr« so der Kirchenbucheintrag der Evangelisch-Reformierten Gemeinde Neu-Ruppin 5 kam Heinrich Theodor Fontane zur Welt. Nun könnten wir es in Bezug auf das wenige, was wir von seiner Geburt wissen, damit gut sein lassen, daß wir uns einfach Fontane selbst anschlie­ßen und seinem süffisanten Diktum aus einem der Londoner Briefe 6 an die junge Ehefrau folgen:»Mag seine Entstehungsgeschichte in Dunkel gehüllt sein wie die Geburt aller großen Erscheinungen, gleichviel, er ist da und er beglückt.« Denn er beglückt ja bis heute. Doch wenn wir uns diesem Diktum anschlössen, dürften wir letztendlich ja nur»die Geburt« eines wärmenden Pelzes mitfeiern. Eines Pelzes immerhin, der den Autor angesichts der Vor­liebe von englischen Vermietern für»Zug« und»Ventilation« zum einen»ret­tet« und zum andern auszeichnet. Denn er könne»hier die erste Zeitung der Welt redigiren und niemand würde mich kennen[]; aber diesem Pelz kann London auf die Dauer nicht wiederstehn[sic] und bald wird the foreigner with the fur(der Fremde mit dem Pelz) zwischen Queens Square und Strand eine gekannte Größe sein.«