14 Fontane Blätter 103 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Die Reutersche Edition Die bislang einzige Edition der Schopenhauer-Exzerpte wurde, wie gesagt, 1969 von Hans-Heinrich Reuter unter dem Titel Arthur Schopenhauer vorgelegt, 26 jedoch in einer gekürzten und stark bearbeiteten Fassung. Reuter,der davon ausging, dass das Original verloren sei, edierte nach einer»vierzehnseitigen, fortlaufend geschriebenen maschenschriftlichen Kopie«, bei der es sich um die Abschrift handelt, die mit dem Nachlass Fontanes ins Fontane-Archiv kam und hier bis heute unter der Signatur TFA Pa 7,2[1] j aufbewahrt wird(vgl. hier, 16 f.). Die Reutersche Edition wurde von den Herausgebern der Nymphenburger Fontane-Ausgabe in großen Teilen wörtlich übernommen, wobei der Stellenkommentar um Erläuterungen zu Personen und Werken ergänzt wurde. 27 Reuter geht davon aus, dass es sich um»methodisch und inhaltlich deutlich voneinander geschiedene, teilweise in sich nochmals unterbrochene Stücke« handelt, die durch Friedrich Fontane»nach der zufälligen Lage der Blätter und Zettel im Konvolut willkürlich aneinander gereiht und verzahnt[worden seien], ohne auf ihre Zusammengehörigkeit und die aus ihrem Inhalt zu erschließende wahrscheinliche Chronologie der Entstehung Rücksicht zu nehmen«. 28 Dagegen unterstellt Reuter einen»Entstehungsanlaß«, nämlich den»Wille[n] zur Selbstverständigung«, verstanden als»ideologische Entwicklung«, und gliedert das Manuskript nach Maßgabe dieser teleologischen Konstruktion in die Teile I–IV. 29 Unkommentiert abgeschriebene Zitate werden als rein reproduktiv weggelassen. So kommen in Teil I von den 28 Lemmata aus Gwinner lediglich 12 zum Druck, ergänzt durch die auf dem letzten Blatt(hier, 72) notierten Stellen, und in Teil II von den mehr als 30 umfangreichen Lemmata aus dem Versuch über das Geistersehn nur ein einziges, 30 wobei Reuter Fontanes Selbstanweisungen(»lesen bis second sight« usw.) als Hinweise darauf liest, dass es sich bei diesem Teil der Exzerpte um»eine weitgehend ausgearbeitete Disposition zu einem Vortrag« gehandelt habe. Dagegen sieht er in den als Teil III wiedergegebenen Exzerpten aus Parerga und Paralipomena(er druckt 27 der 36 Lemmata) »eine grundsätzlich andere Funktion«, sie trügen mit einer Ausnahme den Charakter von»Urteilen« und»kritischen Spezialexkursen« und verwiesen auf Teil IV, d.h. den auf den ersten Seiten des Exzerpts befindlichen durchformulierten Text:»IV wäre nicht denkbar ohne den zuvor von I und II bis III zurückgelegten Weg.« 31 Dem Selbstverständigungstelos folgend geht Reuter von einem»längeren Entstehungszeitraum« aus und schlägt folgende Datierung vor: Die Teile I und II seien während der Sommerfrische in Tabarz (1873) bzw. während der Dienstagsgesellschaften im Hause Wangenheim (Anfang 1874) entstanden und als eine Phase des reproduzierenden Lesens und Staunens zu charakterisieren(AzL 281), eigene Gedanken habe Fontane zu dieser Zeit nicht beigesteuert. Dagegen sieht Reuter in den humorvoll ironischen Bemerkungen des Plaue-Kapitels über Wiesikes Schopenhauer-
Heft
(2017) 103
Seite
14
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