Heft 
(2017) 103
Seite
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Bekannten, diese Gelegenheit nicht unbenutzt vorüberge­hen zu lassen, ja, lieber heute als morgen zu gehen, denn er könnte morgen todt sein. Besonders fiel ihm der Blick des Tieres auf, das keinen Zug äffischer Bosheit hatte und dessen Kopf, im Stirn­und Scheidelbein entschieden bes­ser gebildet als derjenige der niedrigsten Race unseres eigenen Geschlechts, keine thierische Geberde verrieth. Er fand in diesem merkwürdigen, von Jugend auf melan­cholischen Thiere die Sehnsucht des naturbildenden Wil­lens nach der Erkenntnis personificirt, wie wenn er seinen Blick mit dem des Propheten in das gelobte Land hätte ver­gleichen wollen.« S. 109. Ueber Genie. Frühreif und lange Kind. S. 109. Ueber Genie. ] Gwinner. 6. Wer er war , 109: »Wir finden in dem Leben des Genies den scheinbaren Wider­spruch, dass es gewöhnlich frühe reif wird und doch eben­so ungewöhnlich lange Kind bleibt. Zur Beleuchtung die­ser Frage dient die Lehre Schopenhauers vortrefflich. Die Welt als Vorstellung nämlich umfasst der von der Herr­schaft des Willens relativ freigegebene Intellect des Genies leichter und schneller, als der gewöhnliche Mensch, und wenn es gleich, seiner ursprünglichen Anlage gemäss, für die Erkenntniss des Einzelnen, für dieses oder jenes be­sondere Gebiet der Erfahrung zuweilen weniger Sinn hat, das Unterscheidende innerhalb dieser Gebiete schwerer erfasst als selbst das gemeine Talent, so beherrscht es doch das Ganze der Erscheinungen vermöge seiner grösseren Objektivität freier und findet die Uebergänge aus einer Sphäre der Welt in die andere sicherer heraus.« S. 114. Tat-twam asi. Wer ist der beste Mensch? (brillant). S. 114. Tat-twam asi ] Gwinner. 6. Wer er war , 114 f.: »Der­selbe Mann, der als obersten Satz der Moral lehrte: Tat­twam asi, d. i. der beste Mensch sein heisst zwischen sich und den andern den wenigsten Unterschied machen, der schlechteste, den meisten hatte das Schicksal, von der Wiege bis zum Grabe die tiefe unerschütterliche Ueber­zeugung durch sein Leben zu tragen, dass ihn Sternenwei­ten von denen trennten, mit denen er leben, die er lieben sollte. Dieses wunderbare Heimweh des Genius, welchem vor unserm Philosophen zwei deutsche Dichter, Schiller und Hölderlin, in unnachahmlichen Weisen, [] Sprache verliehen, findet sich hier, bei dem deutschen Denker the­21 22 Fontanes Exzerpte aus Schopenhauer  Delf von Wolzogen 23