86 Fontane Blätter 103 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes es sich bei dem Münchner Archibald Douglas-Druck zweifelsfrei nicht um einen klandestinen Nachdruck aus der Deutschen Jugendzeitung handelt. Vom Balladentext dort( DJZ) nämlich weicht der Münchner( NMZ) mehrfach deutlich ab – und stimmt in solcher Differenz mit dem Text bzw. mit Varianten der einzigen erhaltenen Entwurfshandschrift( EHS) 6 überein: So lauten 6,1 und 6,3 in DJZ»Dicht wirbelt Staub empor und Kies,[...] Und ehe der Graf den Sitz verließ«; in NMZ hingegen heißt es, im Wortlaut mit EHS (und mit späteren Drucken, etwa in der Argo von 1857 7 ) identisch,»Und Kies und Staub aufwirbelte dicht,[...] Und ehe der Graf sich aufgericht’t«. In 16,3 wiederum hat DJZ, in Übereinstimmung mit dem korrigierten Text von EHS sowie späteren Drucken»Graf Douglas faßte den Zügel vorn«; NMZ hingegen bietet hier, wie die Grundschicht von EHS,»Graf Douglas faßte [ EHS fasste] die Mähne vorn«. 8 Der Druck des Archibald Douglas in der Neuen Münchener Zeitung erfolgte also, was den Text der Ballade angeht, unabhängig von dem in der Deutschen Jugendzeitung. Zudem wurde jene Münchner Publikation sehr wahrscheinlich, was die von der Deutschen Jugendzeitung divergierenden Gemeinsamkeiten mit der Entwurfshandschrift sowie mit dem späteren, autorisierten Argo-Druck 9 nahelegen, aus dem engeren Umfeld des Autors heraus veranstaltet; unter Umständen mit Wissen, vielleicht sogar unter aktiver Beteiligung Fontanes, was mir weder zu beweisen noch zu widerlegen möglich scheint. Ebensowenig erlaubt die momentane Quellenlage, soweit ich sie überblicke, eine Klärung des Verhältnisses der beiden ersten Archibald Douglas-Drucke zueinander. Zwei Hypothesen bieten sich meines Erachtens an. Beide Publikationen könnten unabhängig voneinander erfolgt sein. In diesem Fall hätte Fontane den ersten Erstdruck in der Deutschen Jugendzeitung veranstaltet(für den er wohl auch Honorar erhielt 10 ) – ohne daß dies seinen Münchner Verbündeten(zu ihnen gleich mehr) bekannt war, die dann wenig später, in seinem Interesse und womöglich auch in seinem Sinne, aber ohne seine Kenntnis, mit bestem Wissen und Gewissen jenen anderen Erstdruck besorgten, der keiner war. Vorstellbar ist aber auch, daß jene beiden Drucke in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Wie gesagt: Der Archibald Douglas in der Deutschen Jugendzeitung forciert nicht gerade die Erhellung seiner Provenienz. Fontane könnte die Publikation seiner Ballade dort,»in dieser eher abgelegenen Zeitschrift« 11 des deutschen Nordens, womöglich aus ökonomischen Gründen unternommen und ein wenig verschleiert haben – um seinen Text dann andernorts, in Süddeutschland(mit oder ohne daß seine dortigen Alliierten in diese Trickserei eingeweiht waren), einer ganz anderen Leserschaft als ein(vielleicht nochmals honoriertes) ungedrucktes Originalwerk auftischen zu können. Bei den Preußenliedern wenigstens war Fontane früher, 1847, mit einer vergleichbaren Mogelei durchgekommen; 12 und ein solches
Heft
(2017) 103
Seite
86
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