Heft 
(2017) 103
Seite
90
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90 Fontane Blätter 103 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Grosse»angeboten« worden aber»wohlgemerkt nicht in dem Sinne, wie man dies heute verstehen würde. Die Redaktion des Feuilletons, d. h. die Auswahl und Erwerbung des Stoffes, wurde einem Komitee der ›berufenen Sterne von der Tafelrunde‹ vorbehalten«, 44 also Nicht-Bayern, die zu den Symposien Maximilians II. geladen wurden. 45 Und zu den ›Berufenen‹, die erwählt wurden für jenes ›Komitee‹, gehörte nun auch Heyse:»In regelmä­ßigen Wochenkonferenzen versammelte sich die Korona der Berufenen ab­wechselnd bei Geibel, Heyse, Riehl, Carriere, Bodenstedt und Löher, um bei gutem Wein und guten Cigarren mündlich zu redigieren, Einläufe und Zusendungen zu prüfen, Angriffe zu parieren und sonstige Maßregeln zu verabreden.« 46 Mithin dürfte es Heyse ein leichtes gewesen sein, den ­ Archibald Douglas in der Neuen Münchener Zeitung zu plazieren in dem Blatt, bei dem Fontane ja seit Frühjahr 1855 hinter den Kulissen für die Re­daktion im Gespräch war, deren Übernahme ihm Heyse dann im Septem­ber 1856 erneut antrug. 47 Vor dieser Folie liest sich der zweite Erstdruck des Archibald Douglas recht zwanglos als ein vorbereitender Schritt Heyses in diese Richtung: Wieder einmal wollte er Fontane in München als exzeptio­nellen Autor historischer Balladen profilieren, um ihn daselbst amtsfähig zu machen wofür sich das Abendblatt der Neuen Münchener Zeitung ­ vorzüglich eignete. Im Dezember 1855 hatte Wilhelm Heinrich Riehl dem König vorgeschla­gen, die Beilage der Neuen Münchener Zeitung in ein feuilletonistisches ›Abendblatt‹ umzuwandeln, und schon am 1.  Januar erschien dessen erste Ausgabe. 48 Das Abendblatt stellte sich als»Centralorgan des geistigen Stre­bens in Bayern« vor, es sollte»ein Zeugniß« sein»von dem fröhlichen, vielge­staltigen Wettkampf der Geister, wie er ehrlich gestritten wird in dem Bayern König Maximilians II.«; daher habe sich, wie es in Riehls Leitartikel heißt, »[u]m ein[] Spiegelbild der gesammten gegenwärtigen Entwickelun­gen Bayerns zu geben,[] ein großer Kreis von Gelehrten und Schriftstel­lern darunter Leute des alten wie des neuen Münchens entschlossen, von nun an möglichst fleißig Resultate ihres Strebens und Schaffens in po­pulärer Form in dem Abendblatt zur Neuen Münchener Zeitung nieder­zulegen.« 49 Das Abendblatt zur Neuen Münchener Zeitung war demnach als Publi­kationsplattform für die dank königlicher Förderung florierende Kultursze­ne der bayerischen Hauptstadt konzipiert und gerade nicht als ein Forum für Auswärtige wie Fontane. Anders, positiv formuliert: Wenn Heyse den Archibald Douglas von Fontane an diesem Ort vermeintlich erstveröffent­licht, dann bajuwarisiert er seinen Freund und nimmt dessen Installation in München vorweg. Derart nämlich präsentiert er die Ballade schier als ein Produkt des ›neuen München‹ 50 und erweckt den Eindruck, daß es sich bei Fontane um einen bereits ›Berufenen‹ handelt, der sich gerade im Ausland au f lt.