Heft 
(2017) 103
Seite
102
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102 Fontane Blätter 103 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte sonen und textproduzierenden Einrichtungen mit Zugang zu einer breiten Palette von Quellen geknüpft war. Wo auch immer Fontane sich befand, nutzte er seine»Bibliotheks-Konnexionen« 11 und sandte Freunden und Be­kannten briefliche Anfragen, um von ihnen bibliographische Hinweise, Literatur oder historisches Quellenmaterial für laufende Projekte zu erhal­ten. Als Ergebnis dieser Briefanfragen lief ein nicht endender Strom von Material durch die Arbeitsumgebung und die Hände des Autors, ohne je zum Stillstand zu kommen denn sobald der Autor mit dem erhaltenen Material fertig war, ging es auf die Rückreise zum Leihgeber. 12 Fontane betrieb viel Aufwand, um die Bewegungen seines Bibliotheks­netzes mit Hilfe seiner Tagebücher, Briefwechsel und in geringerem Maße seiner Notizbücher zu verfolgen. Zwischen den verschiedenen No­tationsformen hin und her schaltend, führte der Autor alltägliche Routi­­nen aus, mit denen er die Benutzung seiner postalischen Bibliothek im Wortsinn verbuchte: 13 Er legte Aufzeichnungen über versandte wie einge­gangene Briefe an und hielt Texte sowie andere Quellen fest, die er aufge­tan hatte. Wie sehr diese Notationsverfahren denen der Buchhaltung äh­nelten, drückte Fontane durch Wortbildungen wie»tagebuchen« 14 und die Rede von seinem»Kerbstock« 15 aus, mit dem er versuchte, seinen Briefver­kehr zu überblicken. Da die Tagebücher, Briefwechsel und Notizbücher also teils in Logbuchfunktion eingesetzt wurden, stellen sie eine breite em­pirische Basis her, auf deren Grundlage wiederum sich das allgemeine In­teraktionsschema Fontanes mit seiner postalischen Bibliothek abstrahie­ren lässt. In Anlehnung an einen Ausdruck Manfred Sommers ist das Schema des»Sammelns wie ein Krake« 16 am besten geeignet, um Fontanes Biblio­theksbenutzung zu beschreiben: Fontane war das mobile Zentrum, von dem aus lange Arme in mehrere Richtungen zugleich ausgriffen. Mit der Zeit nahmen Anzahl und Länge der Greifarme immer weiter zu, was es Fontane ermöglichte, seine Suchanfragen über ein Gebiet zu verstreuen, dessen physische und thematische Grenzen stets weiter expandierten. Zwei Faktoren erwiesen sich für das schnelle Wachstum der Fontane­schen Bibliothek und ihre effiziente Benutzung als entscheidend. Zum ei­nen sorgte die geographische Expansion des Preußischen Postnetzes da­für, dass die Infrastruktur, auf der Fontanes Bibliotheksnetz basierte, allmählich auf Norddeutschland, Europa und mit der Gründung des »Weltpostvereins« im Jahre 1874 auf den ganzen Globus ausgeweitet wurde. 17 Zum anderen erzeugte Fontane im Zusammenhang mit seinen Re­cherchen permanent Metadaten, also Daten, die darüber Auskunft gaben, was sich wo finden ließ, und erweiterte auf diese Weise den thematischen Umfang und die Tiefe seiner Suchanfragen. So genannte komplexe Adressen, die Fontane geradezu methodisch ge­nerierte, stellten eine Form solcher Metadaten dar. Der Autor notierte die