Heft 
(2017) 103
Seite
104
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104 Fontane Blätter 103 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte wie»Zeitungen«,»Gelesen.(Wochenblätter)«, oder»Deutsche Blätter gele­sen« 20 begegnete er einem Themenspektrum, wie es keine noch so gut sortierte Zeitung allein hätte bieten können. Letztlich ließen Fontanes»Zei­tungslektüren im Plural« seine expandierende Bibliothek thematisch ge­nauso inklusiv verfahren, wie das differenzierte System der Massenpresse selbst verfuhr, aus dem die Bibliothek sich bediente. Andere»sammelnde« Textsorten stellten sicher, dass Fontanes Bibliothek mit laufenden kultu­rellen und wissenschaftlichen Debatten Schritt hielt. Dazu zählten Be­sprechungen von Buch-Neuerscheinungen, Theateraufführungen und Ausstellungen, Mitteilungsblätter regionaler Geschichtsvereine sowie die wöchent­lichen Zusammenkünfte diverser kultureller und literarischer Clubs, bei denen wissenschaftliche Gastredner aus einer ganzen Reihe von Fächern Vorträge hielten. 21 Das Bibliotheksnetz konstituierte somit, was Fontanes Zeitgenosse Heinrich Heine in einem ähnlichen Kontext einmal ein»Weltarchiv« 22 genannt hatte und verzeichnete Quellen, die für Fontanes­Arbeit an aktuellen wie historischen Themen relevant waren. Durch das geringe physische Volumen dieser Metadaten war Fontane in der Lage, seine Bibliothek mitzunehmen und ihr enormes Potenzial von nahezu jedem beliebigen Ort aus abzurufen. Zur Übersetzung der Metada­ten in konkrete Suchanfragen brauchte er lediglich zwei Adressen eine, von der er seine Anfragen abschickte, und eine, an die er die Anfragen sandte, wodurch die Minimalbedingung moderner postalischer Kommu­nikation erfüllt war. Die große Durchschlagskraft der Fontaneschen Me­thode bestand in der Ausnutzung der Adresse als Technologie: Indem er die Adresse genauso abstrakt behandelte, wie es dies das Preußische Post­system gerade erst ermöglicht hatte, machte er sich die technologisch neue Entkopplung der Adresse von der adressierten Person zunutze, auf der alle modernen Postsysteme fußen. 23 Die Anweisungen, die Fontane seinem Freund Paul Heyse zur brieflichen Recherche im Kontext von Heyses lau­fendem Dramenprojekt gab, sind in dieser Hinsicht sehr aufschlussreich und erhellen Fontanes Fähigkeiten der geschickten Adress-Ausnutzung. Heyse hatte ihn nach Literatur über Märchen, Sagen, Sitten und Alltag im historischen Pommern gefragt, womit er[Heyse] sein Drama Hans Lange auszugestalten gedachte. Fontane antwortete mit der folgenden, äußerst detaillierten Recherche-Strategie: »Ich selbst habe nichts von der Art[], aber ich werde mich zunächst mit Otto Roquette, dann mit einem Herrn v. Behr in der Nähe von Greifs­wald in Verbindung setzen, und was der eine nicht schaffen kann, wird der andre tun.[Otto Roquette] selbst, glaub ich, denkt nicht hoch von Wenden­und Pommerntum und ist schwerlich in diesen Dingen bewandert, er ist aber mit der ganzen hiesigen Friedländerei in der verwogensten Bedeu­tung des Worts nah befreundet und kann von den Friedländers, die, wie die Schwerins und Winterfeldts in der Armee, traditionell und massenhaft