Heft 
(2017) 103
Seite
105
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Ein kreativer Apparat McGillen 105 in Bibliothek und Archiv dienen, alles erhalten, was er will. Schriebest Du nun selbst noch zu diesem Behuf an Otto Wald[= Otto Roquette], so bin ich überzeugt, daß Du alles erhalten würdest, was Dir nur irgendwie dienen kann. Herr v. Behr, mit dem ich befreundet bin, ist Mitglied einer pommersch­archäologischen Gesellschaft und würde, wenn die Pumpe Otto Wald resp. Friedländer kein Wasser mehr geben sollte, gewiß bereit sein, das eine oder andre aus Greifswald herbeizuschaffen.[] Ich empfehle Dir noch einen andren Weg. Hertz Bruder ist Professor in Greifswald[...], und wenns mit Professor Hertz nichts ist, so lebt dort Prof. Schaeffer oder Schaefer, mit dem unser Hertz ziemlich intim befreundet ist. Schaeffer ist Historiker und sehr angesehn und könnte alles ohne Mühe beschaffen.« 24 Die Passage ist exemplarisch für das Funktionieren von Fontanes»Bib­liotheks-Konnexionen« und buchstabiert gleich mehrere verschiedene Ar­ten aus, in denen sich der Autor Adressen zunutze machte. Zunächst ein­mal zeigt die Passage die Vorzüge, mehr als eine Person auf einmal zu kontaktieren, sodass sich die verschiedenen Quellen ergänzen konnten. Darüber hinaus verfährt Fontanes Recherche-Strategie nach dem Schnee­ball-Prinzip, das heißt, er kontaktierte Ansprechpartner, die aus ihren je­weiligen Positionen heraus weitere Ansprechpartner hinzuziehen konn­ten, wodurch die Materialsuche rasch an Umfang und Intensität zunahm. Das allerwichtigste Merkmal der postalischen Recherche-Strategie be­stand jedoch darin, dass Fontane sein eigenes soziales Kapital mobilisierte, um die Anfrage zu starten und sie durch zahlreiche andere Adressen wei­terzureichen. Im Laufe dieses Prozesses nahm die Anfrage auch das sozia­le Kapital auf, das mit den weiteren Adressen verknüpft war bis sie das nötige Gewicht erreicht hatte, um die Barrieren zwischen Fontane und dem gewünschten Material zu durchbrechen. In der hier zitierten Passage reichte der lange Arm des»Kraken« Fontane somit via Otto Roquette und die Familie Friedlaender nicht nur in eine, sondern gleich in mehrere Bib­liotheken und Archive, darunter die Königliche Bibliothek, das Preußische Geheime Staatsarchiv und die Bibliothek der Universität Greifswald. 25 Durch Adressen mit hohem»Schneeball-Potenzial« sprossen Fontanes »Bibliotheks-Konnexionen« in alle Richtungen und knüpften oder intensi­vierten Verbindungen zu Leuten, mit denen Fontane gemeinsame Bekann­te hatte. Diese Verbindungen wiederum verminderten das Risiko, sich mit einer Anfrage festzufahren. Im Fall eines blockierten Zugangs zu einer Quelle, etwa durch Widerstand eines Archivhüters, hatte Fontane die Möglichkeit, die Blockade durch Quer- und Rückpässe zu umspielen. Die verminderte Wichtigkeit von Hierarchien in diesem Netzwerk erlaubte es Fontane außerdem, die Palette seiner Kontakte nicht nur oberhalb seiner eigenen sozialen Stellung auszuweiten, sondern auch unterhalb. Fontane war in der Lage und machte davon auch reichlich Gebrauch mit Leuten